Die Schokoladenseite ist ein Sanierungsfall

Wildwuchs, fehlende Beleuchtung und Gefahrenstellen – Politiker nehmen bei Ortstermin Flörsheims Mainufer in AugenscheinFLÖRSHEIM (noe) – Das Flörsheimer Mainufer, einst Aushängeschild der Stadt, ist mittlerweile in einem beklagenswerten Zustand. Darin sind sich alle einig. Alle, das sind in diesem Fall die Teilnehmer des Ortstermins vom 5. Oktober, zu dem die Vorsitzenden des Ortsbeirates Stadtmitte und des Ausschusses für Bauen, Umwelt und Verkehr eingeladen hatten: Mitglieder beider Gremien, Stadtverordnete, die Rathausspitze, Magistratsmitglieder, Vertreter der Verwaltung sowie einige Anwohner des Mainufers.

Am Flörsheimer Mainufer gibt es viel zu tun – davon konnten sich letzte Woche Donnerstag die Mitglieder des Ausschusses für Bauen, Umwelt und Verkehr und des Ortsbeirates Stadtmitte vor Ort überzeugen.

FLÖRSHEIM (noe) – Das Flörsheimer Mainufer, einst Aushängeschild der Stadt, ist mittlerweile in einem beklagenswerten Zustand. Darin sind sich alle einig. Alle, das sind in diesem Fall die Teilnehmer des Ortstermins vom 5. Oktober, zu dem die Vorsitzenden des Ortsbeirates Stadtmitte und des Ausschusses für Bauen, Umwelt und Verkehr eingeladen hatten: Mitglieder beider Gremien, Stadtverordnete, die Rathausspitze, Magistratsmitglieder, Vertreter der Verwaltung sowie einige Anwohner des Mainufers.

Zwischen Bootshaus und Gänskippel besteht zweifelsohne Handlungsbedarf: Auf der langen Mängelliste stehen vor allem der bedenkliche Zustand des Mainuferwegs sowie defekte Beleuchtungskörper und wuchernde Platanen. Nicht zu vergessen, die Böschung zum Fluss, deren Erscheinungsbild als Demonstration begriffen werden darf, in welch kurzer Zeit die Natur in der Lage ist, von Menschenhand Geschaffenes Geschichte werden zu lassen.
Vom „Flörsheimer Fahr“ ausgehend, spazierten die Teilnehmer des Ortstermins den Mainuferweg Richtung Gänskippel entlang. Ins Auge fielen zunächst die markanten Beton-Pollerleuchten, die, insgesamt sechs an der Zahl, im Zuge der Neugestaltung des Mainufers Mitte der 70er Jahre am Wegesrand errichtet wurden. Sie sollen eigentlich den Weg so ausleuchten, dass der Fluss nachts ohne Blendeffekte, die bei konventionellen Laternen üblicherweise entstehen, betrachtet werden kann. Ihrem ursprünglichen Zweck können die Pollerleuchten jedoch nicht mehr nachkommen – die Lichter sind allesamt defekt, in den meisten Fällen wurden sie offensichtlich mutwillig zerstört. Ausgesucht wurden die von dem renommierten Architekten Prof. Helge Bofinger entworfenen Pollerleuchten einst von Prof. Horst Thomas; der Architekt, Stadtplaner und Denkmalpfleger war von 1975 bis 2011 Sanierungsplaner der Stadt Flörsheim. Er betont die Einzigartigkeit der Pollerleuchten: „Sie sind meines Wissens nur in Norddeutschland verwendet worden und in unserer Region ein eigenständiges Zeichen für Flörsheim. Jedenfalls kein Massenartikel, der überall zu sehen ist. Poller haben am Flussufer mit Schifffahrt zu tun und ich war froh, diese Leuchten für diese Stadt gefunden zu haben.“ Dementsprechend befürwortet Prof. Thomas eine Instandsetzung der Pollerleuchten.
In diesem Punkt waren sich die Teilnehmer der Ortsbegehung nicht einig. Vorrangig sei eine möglichst zeitnah zu realisierende angemessene Beleuchtung des Uferbereichs. Die Beschaffung der Leuchtkörper für die Poller könne schwierig werden, außerdem sei zu erwarten, dass diese sogleich wieder zerstört werden, meinten die Befürworter eines neuen Beleuchtungskonzepts. Zu Letzterem weiß Prof. Thomas Rat: die Lampenabdeckungen aus Plexiglas könnten durch Metallgitter vor Vandalismus geschützt werden. „Aber die Gesamtgestaltung ginge auch nicht zugrunde, wenn man neue und höhere Mastleuchten – Laternen – einsetzt. In diesem Falle wäre auf das Verhältnis der Lichtpunkthöhe zur Höhe der Aufastung der Platanen zu achten“, teilte Prof. Thomas am Dienstag der Presse mit.
Es werde Licht
Einige Mandatsträger – es waren im Laufe der „Open-Air-Sitzung“ Gesprächskreise entstanden, wodurch es nicht gerade leichter wurde, das Stimmungsbild zu erfassen – plädierten für die „Laternen-Lösung“. Das Mainufer müsse schnellstmöglich ordentlich beleuchtet werden, denn damit werde nicht nur die Verkehrssicherheit, sondern auch die von den Anwohnern vermisste soziale Kontrolle gewährleistet. In der Dunkelheit, berichteten Anwohner während des Ortstermins, würden sich Jugendgruppen versammeln, was in den meisten Fällen mit unzumutbarer Lärmbelästigung verbunden sei. Bürgermeister Michael Antenbrink gab den wütenden Anwohnern recht: „Hier ist abends die Hölle los. So etwas ist völlig inakzeptabel.“ An einer vernünftigen Beleuchtung führe kein Weg vorbei, sagte der Rathauschef. Allerdings, merkte Antenbrink im Gespräch mit dieser Zeitung an, sei es aus planerischen und wirtschaftlichen Gründen sinnvoller, sich hierüber im Rahmen eines Gesamtkonzeptes für das Mainufer Gedanken zu machen, anstatt punktuell Abhilfe zu schaffen. Der bei der Ortsbegehung unter anderem von Carola Gottas und Peter Kluin (beide GALF) vorgebrachten Idee, dort „normale Straßenlaternen“ zu platzieren, kann Antenbrink nichts abgewinnen: „Das ist die Schokoladenseite der Stadt, da kann man nicht einfach Straßenlaternen hinstellen.“
Eine – auf welche Weise auch immer – ordentlich ausgeleuchtete Gegend löse jedoch nicht das Problem der Jugendlichen, gaben Carola Gottas und die GALF-Fraktionsvorsitzende Renate Mohr zu bedenken. Ein Treffpunkt für junge Leute sei vonnöten, er müsse ja nicht zwingend am Mainufer eingerichtet werden. Auch diesbezüglich müsse ein Konzept entwickelt werden, so Gottas.
Stolperfallen
Die Platanen am Mainufer müssten aus Sicht einiger Mandatsträger wieder in Form gebracht werden. Der unter anderem von Renate Mohr und Jens Weckbach (CDU) bemängelte Pflegezustand der Bäume ist jedoch nach einhelliger Meinung nicht das dringendste Problem. Vor allem die Wurzeln bereiten Sorgen, da sie an vielen Stellen die Pflasterung nach oben drücken und quer über den Fußgängerweg wachsen. Hierdurch entstehen Stolperfallen, der Mainuferweg ist gerade für Menschen, die auf einen Rollator angewiesen sind, quasi unpassierbar. Was tun?
„Die Bäume zu fällen ist sicher der falsche Weg“, sagte der dfb-Ortsbeirat und -Fraktionsvorsitzende Thomas Probst. Er setzt sich für eine „Steglösung“ in den kritischen Bereichen ein. Die Wurzeln könnten unter Planken verschwinden, an bestimmten Orten wäre der Ausbau dieses Steges zu einer „Plattform“ mit Sitzgruppen eine „charmante Lösung“, so Probst.
Bürgermeister Antenbrink indes befürwortet eine Verlegung des Weges zwischen Bäumen und Parkplatz. Der unmittelbare Uferbereich könne begrünt werden; über Pfade, die von dem neu geschaffenen Weg in Richtung Main abzweigen, könnten „kleine Sitzinseln“ erreichbar sein. Zugleich sei es sinnvoll, eine grundlegende Erneuerung des Parkplatzes anzugehen. Auf diese Weise müsse die Stadt in Zukunft nicht wie bisher „alle fünf Jahre 100.000 Euro in die Hand nehmen“, um die Verkehrssicherheit zu gewährleisten. Überhaupt befürwortet der Rathauschef eine möglichst umfassende Sanierung des Mainufers im Rahmen eines Gesamtkonzepts. Das koste zwar, allein schon durch die aufwendigen, aber erforderlichen Planungen, viel Geld, räumte der Bürgermeister ein. Der Zeitpunkt sei jedoch aufgrund des noch immer niedrigen Zinsniveaus günstig: „Wer jetzt nicht investiert, ist mit dem Klammerbeutel gepudert“, so Antenbrink.
Stadtplaner betont kulturellen Wert
Ob und in welchem Maße sich das Erscheinungsbild des Flörsheimer Mainufers durch das vom Bürgermeister präferierte Gesamtkonzept verändern würde, ist eine interessante Frage, die allerdings in Ermangelung einer Planung vorerst nicht beantwortet werden kann.
Prof. Horst Thomas vertritt jedenfalls einen klaren Standpunkt: „Mit der derzeitigen Gestaltung kann ich mich auch nach wie vor identifizieren. Für mich ist diese beispielhafte und qualitätsvolle Ufergestaltung einfach nur ungepflegt und vernachlässigt. Es fehlt an Pflege und an der Durchführung notwendiger Instandsetzungen.“ Die Verlegung des Fußwegs auf die andere Baumseite ist aus Sicht des Stadtplaners nicht unproblematisch: „Man muss dazu wissen, dass der derzeitige Uferweg sowie Bänke und Bäume nicht weiter vom Ufer Richtung Altstadtrand platziert werden konnten, weil der Schutzstreifen einer Erdölpipeline unter dem Mainvorland liegt, der nicht überbaut und nicht bepflanzt werden durfte. Es wäre also zunächst zu prüfen, ob ein befestigter Fußweg auch als solche Baumaßnahme zu werten ist und ob er über der Pipeline überhaupt zulässig wäre.“ Aus gestalterischer Sicht habe er kein Problem mit einem Weg auf der anderen Seite der Bäume, so Thomas. Zum Zustand der Böschung – die aus Natursteinen gebaute Uferbefestigung ist nicht nur an vielen Stellen überwuchert, sondern auch schadhaft – merkt Prof. Thomas an: „Das ist lediglich eine Sache der Bauunterhaltung. Wenn Steine ausgebrochen sind, muss man eben ausbessern. Unterlässt man das, sieht es bald vergammelt aus – so wie leider jetzt.“
 Die Ufergestaltung habe einen kulturellen Wert, so der Stadtplaner, dementsprechend lohne es sich, sie zu erhalten. Prof. Thomas wendet sich entschieden gegen eine fundamentale Neukonzeption: „Wenn immer gleich die Maßnahmen der Vorgängergeneration – auch qualitätsvolle – abgerissen und durch eine Neugestaltung ersetzt werden, wird es irgendwann keine Baudenkmäler aus unserer Zeit mehr geben.“ Darüber dürfen die Mandatsträger, nun in Kenntnis der Meinung des maßgeblich an der Mainufergestaltung beteiligten Stadtplaners, in den kommenden Wochen in Ruhe nachdenken.

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