Von der Steinzeit ins Weltall und zurück Tausende Narren feierten beim traditionellen Fastnachtsumzug durch Flörsheim den Höhepunkt der Kampagne

Tausende Narren feierten beim traditionellen Fastnachtsumzug durch Flörsheim den Höhepunkt der Kampagne

"Ewe kimmt er!" Wenn der Wagen mit den Schwellköpp, für die sich – leider – auch diesmal keine Träger gefunden hatten, in Sicht kommt, geht der Spaß endlich los!

Der Fastnachtssonntag ist für Flörsheims Narren der absolute Höhepunkt einer jeden Kampagne und gehört somit zum Pflichtprogramm. Da aber die Fassenacht, anders als der Karneval in Rio, zu unwirtlicher Jahreszeit stattfindet, ist das Vergnügen bei entsprechend freundlicher Witterung nochmal so groß. So mancher Jokus-Jünger blickte noch am Vormittag mit bangem Blick gen Himmel; glücklicherweise waren die Wetterprognosen der vergangenen Tage wechselhafter als das Wetter selbst. Zwischen 13 und 0,3 Liter Regen auf den Quadratmeter war in den Vorhersagen alles dabei gewesen – und nichts davon war, zumindest für die Dauer des Umzugs, eingetreten. Es blieb trocken, statt orkanähnlicher Böen wehte ein frischer Wind bei moderaten Temperaturen. Flörsheim hatte schon herbere Februartage erlebt.

Von Stürmen und Schauern unbehelligt drängten sich also auch in diesem Jahr tausende Besucher (laut Polizei 20.000) aus nah und fern an der Zugstrecke, um dem närrischen Lindwurm zuzujubeln, der sich von der Ecke Plattstraße/Maler-Schütz-Straße ausgehend um Punkt 13.31 Uhr nach einem Sirenenton in Bewegung setzte. 123 Zugnummern, inklusive des vorausfahrenden Wegbereiters der Flörsheimer Polizeistation und der den Zug abschließenden Saubermacher des städtischen Bauhofs, gab es zu sehen. Über 2.000 Zugteilnehmer in den unterschiedlichsten Kostümierungen liefen mit, darunter viele bekannte Gesichter, die unter Maske oder Schminke freilich nicht immer leicht zu erkennen waren. Ihr Weg führte sie, südlich der Bahnlinie, quer durch die Stadt. Überall standen fröhliche Narren jeden Alters, darunter natürlich sehr viele Kinder, am Wegesrand; sogar in mehreren Reihen, sofern es die örtlichen Verhältnisse, wie in der Bahnhofstraße, zuließen. Es wimmelte allerorten: Wikinger, Zauberer, Häschen und Indianerinnen, Krümelmonster, Einhörner und Chirurgen, Feen, Neandertaler und natürlich Clowns gaben sich mit zahllosen anderen Vertretern des närrischen Geschlechts ein heiteres Stelldichein. Die Narrenschar war bunt, teilweise schrill und in Feierlaune – also genau so, wie es in Gott Jokus' Sinne ist. Narren allerorten: sie tummelten sich hinter Drängelgittern, hockten auf den starken Schultern vom Papa, winkten aus Fenstern und von Balkonen, ja, sogar auf Garagendächern waren sie zu finden. Und überall erklang der ungezählte Male gerufene, einzigartige Gruß einer einzigartigen Stadt: "Hall die Gail!"

Tonnenweise Bommbos

Die Erzbergerstraße durchquerend ging es über ein kurzes Stück auf der Wickerer Straße durch die Eisenbahnstraße, der Zug schlängelte sich weiter durch die Grabenstraße und Hauptstraße bis zum Endpunkt an der Ecke Untermainstraße. Tonnenweise Guuzjer, Bommbos und sonstige süße Sachen prasselten auf die sich danach reckenden und streckenden Närrinnen und Narren. Für Bewegung sorgten aber auch die Musikformationen, die sozusagen für den Soundtrack des Fastnachtssonntags zuständig waren. Gleich hinter der Zugleitung, die Michael Bayer und Milan Seidenfaden vom FNC innehatten, traten die Blechbläser der Mainzer Rittergilde in Aktion. Auf den Zug verteilt folgten, immer mit einigen Nummern Abstand, das Musikcorps des Carneval Clubs Raunheim, der Fanfarenzug Frankfurter Herolde, das Blasorchester Hochheim, das FZM Blasorchester Kelkheim-Hornau, der Spielmannszug der Freiwilligen Feuerwehr Okriftel, die Guggemusik "Blächdängler" Denzlingen, das Blasorchester der freiwilligen Feuerwehr Rothenbergen, der Fanfarenzug Fränkische Herolde und natürlich der Musikverein 1954 Flörsheim. Außerdem spielten die Prinzengarde 1884 und der Trommlerzug der "Garde der Prinzessin" auf. Die in schmucken blau- beziehungsweise grün-gelb-roten Uniformen gewandeten Gardisten waren auf Einladung des FNC aus Mainz, der bekanntlich nach Flörsheim zweitgrößten Fastnachtshochburg, angereist. Das grün-gelbe Finale, bestehend aus, wie könnte es anders sein, elf Zugnummern, gehörte dem Flörsheimer Narren Club. Allen voran, gleich hinter dem mit Bürgermeister Dr. Bernd Blisch, der Ersten Stadträtin Renate Mohr und weiteren Stadtvätern und -müttern besetzten Stadtschiff "Flora", schaukelte die FNC-Kutsche, von der Pfarrer Friedhelm Meudt mit ungewohnt toupiertem Haupte als Jedi-Ritter grüßte. Es folgten die FNC-Tanzgruppen Fun Factory und Manco Mania, die "11 Jahre Ladies Night" mit "Party, Sekt und Heiterkeit" feierten, die FNC-Teenies und -Minis sowie die Bagagerie. Des Weiteren als gesonderte Nummern die Vereinsstandarte, das Gardekommando, die "Officiers Corps", die berühmte und immer wieder beeindruckende FNC Festung und schlussendlich der mit viel Farbe und Mühe umgestaltete Generalstabswagen mit Generalfeld- und Zugmarschall Heinz Schäfer.

Pinguine, Trump und Asterix

Zwischen den Schwellköpp und der Flora war allerhand los! Zum Beispiel konnte man, gemäß dem Motto der DJK Flörsheim Fußballjugend, schon mal einen Blick auf zukünftige WM-Helden werfen, die Mitglieder des Gesangvereins Liederkranz Eintracht Eddersheim saßen, mit der etwas rätselhaften Aufforderung, es ihnen gleichzutun, als Zwerge "auf dem Pilz obenauf", während der Carneval Club Raunheim im 70. Jahr seines Bestehens die 80er auf's Korn nahm und nicht nur mit dem Sitzungspräsidentenpaar, sondern auch mit Musikcorps, Teenager- und Hofballett sowie (schaden kann es sicher nicht) Feldapotheke präsent war. Ebenfalls aus Raunheim war die "Prinzess Margret Garde" mit sechs Zugnummern nach Flörsheim gekommen. In gleicher Stärke nahm die Abordnung des "Großen Fastnachtsrates der Siedler 11" aus dem benachbarten Rüsselsheim teil, weitere Zugteilnehmer hatten unter anderem der Reit- und Fahrverein Eddersheim, die Wilden Weiber Okriftel sowie der Carneval Club Mainperle Okriftel entsandt. Der acht Zugnummern starke CCM war mit Galeere und mobilem gallischen Dorf – schließlich lautete sein Motto "Asterix und Obelix bei den Römern" – ein echter Hingucker.

Das traf auch auf die "Narren im Weltall" des Flörsheimer Carneval Vereins zu, die spätestens nach ihrer mehrmals im Fernsehen übertragenen Fastnachtssitzung landauf, landab einen galaktisch guten Ruf haben. Während der FCV nach den Sternen griff, reisten die "Kradfahrer Felzünd" mit einem prähistorischen Vehikel und der Devise "Felzünd for Future: Kradfahrer, so soll es sein, fahren wie Fred Feuerstein" zurück in die Steinzeit.

Überhaupt waren kommunale und gesellschaftliche Themen angesagt. Die Schmotzer ("Mehr Tüll statt Meer-Müll") und der GV Volksliederbund ("Bei soviel Müll in Meer unn Moo is bald koon oone Fisch mehr doo") wiesen etwa auf die Verschmutzung von Meer und Flüssen hin, während die "Wickerer WIPs" mit Blick auf die Kreiselgestaltung ätzten: "Wer glaubt, in Wicker geht's voran, der glaubt auch an den Weihnachtsmann!" Auch die Raabekazze hatten ein Wickerer Thema, nämlich die im Orte scharf kritisierte Erweiterung der Rhein-Main Deponie, aufgegriffen: "Immer höher wächst de Müll, weil de RMD des will. Die Raabekazz find's gar net schee, will lieber uff de Taunus seh'!" Die "SOKO Flörsheim" dagegen sah mit Bürgermeister Blisch und Erster Stadträtin Mohr frischen Wind durch's Rathaus wehen. "Die Wandaale" (DJK SC SW Flörsheim) indes saßen als Pippi Langstrumpf dem US-Präsidenten Donald Trump im Genick, "Die Zugvögel" erinnerten an die Notlage ihrer am Südpol ansässigen flugunfähigen Vettern ("Pinguine flippen aus, dem Klima geht die Puste aus"), die Bembeltempler stellten ein mit Äppelwoi betriebenes Auto vor und die Caritas Sozialstation Flörsheim/Hochheim ließ in Anspielung auf die Politik des Bundesgesundheitsministers in "Jens Spahns Marionettentheater" die Puppen tanzen.

Zu all jenen gesellten sich viele weitere Gruppen, etwa die Kerbeborsch aller drei Stadtteile, die diesmal altägyptisch auftretenden Altstadtborzeler, die im wahrsten Wortsinn herzlich grüßende Privatgruppe "Fantasie", die bienenfleißige KAB Flörsheim, die ihr 66. Jubiläum feiernde Kolpingfamilie Flörsheim, die Flerschemer Fassenachts-Gesellschaft, der Mooadel, die "Gemütlichkeit Weilbach" und der Carneval Verein Weilbach.

Der Jahr um Jahr die Organisation stemmende FNC, sämtliche Zugteilnehmer und selbstverständlich all die fröhlich und unbeschwert feiernden Narren machten auch den diesjährigen großen Fastnachtsumzug durch Flörsheim zu einem wahrhaft närrischen Ereignis, an das man sich in der nun angebrochenen langen Zeit bis zum Beginn der nächsten Kampagne mit einem Lächeln erinnern wird.

Kommentare

Der Inhalt dieses Feldes wird nicht öffentlich zugänglich angezeigt.
Sicherheitsprüfung
Diese Frage hat den Zweck zu testen, ob Sie ein menschlicher Benutzer sind und um automatisierten Spam vorzubeugen.
Bild-CAPTCHA
Geben Sie die Zeichen ein, die im Bild gezeigt werden.


X