Streit um Jahnstraße wird hitziger Probephase läuft – Keine Durchfahrt für Kfz-Verkehr / SPD und GALF sind geteilter Meinung

Probephase läuft – Keine Durchfahrt für Kfz-Verkehr / SPD und GALF sind geteilter Meinung

Wie von Bürgermeister Dr. Bernd Blisch in der letzten Sitzung der Verkehrskommission angekündigt, wurde mit Beginn des Monats die Jahnstraße auf halber Höhe für den Kfz-Verkehr gesperrt. Die Teilung, sagte der Bürgermeister Anfang Februar im Gespräch mit dieser Zeitung, sei die "unkomplizierteste und kostengünstigste Maßnahme", um einerseits das verkehrswidrige Linksabbiegen vom Höllweg in die Jahnstraße unattraktiv zu machen und andererseits den Charakter der Jahnstraße als Fahrradstraße zu unterstreichen. Dadurch müsse ein Teil der Anwohner zwar Umwege in Kauf nehmen, so Blisch, dafür werde die Jahnstraße aber ruhiger und sicherer. Nach einer dreimonatigen Probephase soll das Stadtparlament darüber befinden, ob die durch Poller vorgenommene Teilung respektive Sperrung der Jahnstraße beibehalten werden soll. Eine Entscheidung durch die Stadtverordneten ist laut Bürgermeister Blisch zwar nicht zwingend erforderlich, aber angesichts der laufenden Diskussion erwünscht.

Die SPD hatte sich in Pressemitteilungen vehement gegen die Maßnahme ausgesprochen; mittlerweile, so die Sozialdemokraten, habe man zahlreiche Unterschriften gegen die Sperrung gesammelt, auch die Facebook-Seite der SPD zur Jahnstraße sei inzwischen mehr als 6.000 Mal aufgerufen worden. Außerdem sei der am 29. Februar in der Jahnstraße angebotene Infostand erfolgreich gewesen, weshalb die SPD am kommenden Samstag um 10.30 Uhr gegenüber dem alten Friedhof mit einem weiteren Infostand präsent sein werde. Die Sozialdemokraten fordern die unverzügliche Aufhebung der Sperrung und eine Beteiligung der Gremien sowie der betroffenen Bürgerinnen und Bürger.

"In populistischer Manier"

Der Streit um die Jahnstraße wird hitziger. SPD und GALF werfen sich in Pressemitteilungen nun gegenseitig vor, der Fahrradstraße Schaden zuzufügen. Deren Realisierung vor dreieinhalb Jahren war das letzte gemeinsame Projekte der einstigen Koalitionäre; beabsichtigt war die Schaffung einer für Radfahrer sicheren Ost-West-Achse durch Flörsheim und, nicht zuletzt, die Förderung des Radverkehrs an sich. Die SPD wende sich mit ihrer Gegnerschaft zur Teilung der Jahnstraße gegen die beabsichtigte Erhöhung der Verkehrssicherheit und torpediere somit ein eigenes Projekt, meint die GALF. Auf diese Weise mache sich die SPD unglaubwürdig. „Seit Wochen attackiert die SPD Flörsheim in unverhältnismäßiger und gefährlicher Sprache die probeweise Maßnahme zur Verkehrsberuhigung in der Jahnstraße", erklärt der stellvertretende GALF-Fraktionsvorsitzende Peter Kluin. Die Sozialdemokraten gingen "in völlig überzogener und selbstverleugnender Weise gegen diese probeweise Verkehrsberuhigung" vor.

Die SPD wolle die Jahnstraße als Durchgangsstraße beziehungsweise Entlastungsstraße für die Bürgermeister-Lauck-Straße etablieren, was dem Gedanken einer Fahrradstraße komplett zuwiderlaufe und die Unfallgefahr für die Anlieger erhöhe, meint der verkehrspolitische Sprecher der GALF, Richard Kilian, der in diesem Zusammenhang auch auf die an der Jahnstraße liegenden Schulen und auf die dortige Kindertagesstätte hinweist.

„Die SPD agiert hier nicht für die Sache sondern nur zum eigenen politischen Nutzen, denn zur Sachdiskussion hätte es in den städtischen Gremien im letzten Jahr ausreichend Gelegenheiten gegeben“, kritisiert Kilian. „Insbesondere in den letzten beiden Sitzungen der Verkehrskommission am 16. September 2019 und am 20. Januar 2020 wurde die Teilung der Jahnstraße als Vorschlag des Ordnungsamtes vorgestellt und erörtert. Keiner der drei SPD-Vertreter in der Verkehrskommission hat sich gegen die Umsetzung der Maßnahme ausgesprochen. Auf meinen Vorschlag hin, wird die Maßnahme aber erst einmal nur probeweise durchgeführt.“ Die SPD hätte das Thema sowohl im Ortsbeirat Stadtmitte als auch in der Stadtverordnetenversammlung kontrovers diskutieren können, habe es aber nicht getan, so Peter Kluin. „In der Sitzung des Ortsbeirats Stadtmitte im Dezember 2019 gab es eine ausführliche Erklärung von Bürgermeister Dr. Bernd Blisch zur geplanten Teilung der Jahnstraße, ohne dass die SPD-Vertreter im Ortsbeirat die Gelegenheit zum Widerspruch oder auch nur zur Diskussion ergriffen hätten“, ergänzt der GALF-Fraktionsvorsitzende Frank Laurent.

„Die SPD bauscht eine in den Gremien ohne Widerspruch der SPD beschlossene verkehrssteuernde Maßnahme in populistischer Manier zu etwas auf, das es nicht ist. Die Fraktionsführung der SPD muss sich überlegen, wie sie hier sprachlich agiert, wenn es auf Facebook heißt ‚Mit der Sperrung droht ein Verkehrschaos, das bis in die Altstadt südlich der Bahn reicht. Diese wahnwitzige Idee muss verhindert werden.‘ Das ist eine Sprache, die Menschen aufhetzt und weit entfernt von der für sich propagierten Sachpolitik ist“, fügt Laurent hinzu. Aus Sicht des GALF-Fraktionsvorsitzenden hat die Teilung der Jahnstraße als Maßnahme zur Erhöhung der Verkehrssicherheit eine Chance verdient: "Am Ende der Probephase wird das Ordnungsamt die Ergebnisse auswerten und wir wissen dann, ob die erhofften positiven Effekte eingetreten sind. Ist das nicht der Fall, wird die Maßnahme selbstverständlich nicht fortgeführt."

"Arroganz und Selbstverliebtheit"

Aber auch die Sozialdemokraten üben scharfe Kritik an ihrem einstigen Koalitionspartner. So wehrt sich die SPD-Fraktion "vehement gegen den Vorwurf, ihre Vertreter hätten in der Verkehrskommission der Straßensperrung nicht widersprochen". In der Verkehrskommission, die keine Beschlüsse fasse und dies auch im vorliegenden Fall nicht getan habe, seien lediglich Planungsüberlegungen des Ordnungsamtes mündlich vorgetragen worden. Selbstverständlich sei man davon ausgegangen, dass den zuständigen Gremien, wie Magistrat, Stadtverordnetenversammlung und Ausschüsse eine schriftliche Vorlage zur Beratung und Beschlussfassung vorgelegt werde. Des Weiteren habe man eine Bürgerbeteiligung erwartet. Deren Ausbleiben wirft die SPD sowohl der GALF als auch dem Bürgermeister nun vor.

„Diese Sperrung wurde ohne Beteiligung der Stadtverordnetenversammlung und ihrer Ausschüsse im Alleingang vom Bürgermeister wohl auf Betreiben der GALF durchgesetzt. Die betroffenen Bürger wurden nicht beteiligt und sind jetzt entrüstet, wie Kommentare im Internet und Unterschriftensammlungen zeigen. Die Stadtverordnetenversammlung hat deshalb zu handeln“, erklärt die SPD-Fraktionsvorsitzende Marion Eisenmann-Kohl. Die Fahrradstraße sei zwar tatsächlich von SPD und GALF gemeinsam durchgesetzt worden, allerdings ganz bewusst ohne Straßensperrung. Mit der Sperrung verlasse deshalb nicht die SPD die Gemeinsamkeit, sondern umgekehrt.

Die GALF fühle sich "bei einem Fehler ertappt" und reagiere deshalb erneut mit "persönlichen Angriffen und Verleumdungen". Die Sozialdemokraten attestieren der GALF "Arroganz und Selbstverliebtheit", Bürgerbeteiligung und Bürgerproteste würden für den ehemaligen Koalitionspartner keine Rolle mehr spielen.

Nicht auf der Tagesordnung

"Die SPD-Fraktion hat jetzt zur nächsten Stadtverordnetenversammlung einen Antrag eingereicht, in dem Bürgermeister Blisch aufgefordert wird, die seit dem Wochenende geltende Sperrung der Jahnstraße unverzüglich aufzuheben", heißt es in der jüngsten Pressemitteilung der SPD vom 3. März. Dieser Antrag steht jedoch nicht auf der Tagesordnung, die am selben Tag versandt wurde.

Seitens der SPD liege kein Antrag vor, sagte Katrin Remsperger, als Fachbereichsleiterin Büro der Organe im Hauptamt unter anderem zuständig für die städtischen Gremien, am Dienstagnachmittag. Die normale Frist sei abgelaufen, die SPD könne nun noch einen Dringlichkeitsantrag direkt in der Sitzung der am 12. März stattfindenden Stadtverordnetenversammlung stellen. In diesem Fall entscheidet das Stadtparlament darüber, ob der Antrag auf die Tagesordnung gelangt. Die SPD müsste den Sinn eines Dringlichkeitsantrags in Sachen Jahnstraße begründen und würde hierzu wohl den massiven Unwillen von Anwohnern und das aus ihrer Sicht zu befürchtende Verkehrschaos ins Feld führen.

Letzter Stand der Dinge: Am dritten Tag der Sperrung hat es laut Ordnungsamt keine außergewöhnlichen Vorfälle auf der Jahnstraße oder den benachbarten Verkehrswegen gegeben. Im Gegensatz zu den Geschehnissen auf Facebook, wo massiv Kritik an der Sperrung/Teilung geübt werde, hielten sich die im Rathaus eingehenden Rückmeldungen bislang "in sehr überschaubaren Grenzen", wie Katrin Remsperger auf Nachfrage dieser Zeitung berichtete. Bis zum 3. März habe es bezüglich der Maßnahme ein Dutzend Mitteilungen von Bürgerinnen und Bürgern an die Stadt beziehungsweise direkt an den Bürgermeister gegeben. In den meisten Zuschriften sei die Teilung kritisiert worden, es gebe aber auch lobende Stimmen.

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