Zuvor hatte Marcus Reif in seiner Funktion als HFA-Vorsitzender und als Vertreter des BVU-Vorsitzenden den Stadtverordneten ausführlich von der Empfehlung beider Gremien und über den Weg dorthin berichtet. Unter anderem führte Reif die sowohl vom HFA als auch vom BVU gewünschte Prüfung alternativer, wohlgemerkt provisorischer, Kita-Standorte ins Feld. Zu prüfen seien demnach das Gelände vor der Kita „Pusteblume“, der Parkplatz an der Weilbachhalle und eine ungenutzte Gewerbefläche in der Industriestraße.
Eine vermeintliche Alternative ist, noch bevor über sie richtig diskutiert werden konnte, bereits ausgeschieden. In der Weilbacher Ortsbeiratssitzung vom 9. Januar wurde, auf Anregung eines Bürgers, seitens der Verwaltung zugesagt, das sich in privater Hand zwischen Mainzer Straße und Wingertstraße befindende Gelände „Lehmkaut/Feldweingärten“ als alternativen Kita-Standort zu prüfen. Zehn Tage später teilte Bürgermeister Antenbrink den Ausschussmitgliedern das Ergebnis mit: Das Grundstück liege außerhalb des Regionalen Flächennutzungsplans, der, auf 15 Jahre festgelegt, in einem entsprechend langwierigen Verfahren abgeändert werden müsste, zudem sei das Gelände als Klimaschutzgebiet ausgewiesen und praktisch nicht erschlossen. Die verkehrliche Erschließung stufte der Bürgermeister als „äußerst schwierig“ ein, sie würde auch die von den Bewohnern des „Berliner Viertels“ befürchtete zusätzliche Verkehrsbelastung in keiner Weise schmälern. „Fazit: Das Gelände ist völlig ungeeignet“, brachte Antenbrink das Prüfergebnis auf den Punkt.
CDU für Kita „Krimmling“
Aus Sicht der Christdemokraten kommt die Stadt nicht daran vorbei, in Weilbach eine weitere, dauerhafte Kita zu errichten. Jene sei südlich der Weilbachhalle, im zukünftigen Neubaugebiet „Krimmling“, genau am richtigen Fleck, meinte der CDU-Stadtverordnete Michael Kröhle in der Ausschusssitzung. Auf diese Weise werde es relativ wenig zusätzliche Verkehrsbelastung geben; die neue Kita sei für die Kinder aus der unmittelbaren Nachbarschaft und auch aus den Neubaugebieten Alleestraße und Keltenstraße gut zu erreichen. Bis dahin müsse angesichts des zu erwartenden Bedarfs eine schnelle Lösung für den Standort einer temporären Kinderbetreuungseinrichtung gefunden werden. Als Alternative zur Bebauung des Spielplatzgeländes an der Berliner Straße sei – bis zur Fertigstellung der Kita Krimmling – ein Provisorium auf dem Parkplatz neben der Weilbachhalle für die CDU vorstellbar. „Das Monster-Projekt ‚Pusteblume‘ ist endgültig vom Tisch, auch wenn es von interessierter Seite immer wieder aufgewärmt wird“, betonte Kröhle mit Blick auf das von der SPD favorisierte und einst vom Bürgermeister mit Nachdruck verfolgte Bauvorhaben zwischen Frankfurter und Hofheimer Straße.
Nichtsdestotrotz setzte die SPD in den Gremien ihr nachdrückliches Werben für den Ausbau der Pusteblume fort. Durch ihn könne von einer Beseitigung des Spielplatzes an der Berliner Straße zugunsten einer provisorischen oder dauerhaften Kinderbetreuungseinrichtung abgesehen werden, sagte Martina Pokowietz (SPD) im Ausschuss. Der Spielplatz werde, da die meisten Häuser im Berliner Viertel nur einen kleinen Garten hätten, von vielen Kindern zum Toben und Spielen gebraucht. In Zukunft könne sich der Bedarf vor Ort, wenn junge Familien hinzuziehen, sogar noch erhöhen. Des Weiteren sei das Spielplatzgelände in der Siedlung, vor allem wegen des alten Baumbestandes, eine „grüne Insel“, so Pokowietz weiter. Gegen eine Kita an diesem Orte spreche auch die absehbare Verschärfung der ohnehin nicht unproblematischen Verkehrssituation: Die Kita müsse nämlich über den „Flaschenhals Wingertstraße“ erschlossen werden, auf den zweimal werktäglich etwa 50 zusätzliche Zu- und Abfahrten zukommen würden. Auch in verkehrlicher Hinsicht sei die „Pusteblumen-Lösung“ die bessere gewesen, meinte die SPD-Stadtverordnete. Gegenwärtig hätten Eltern durchaus Schwierigkeiten, ihre Kinder über den an der stark befahrenen Frankfurter Straße gelegenen Zugangsbereich in die Kita zu bringen. Dieses Problem wäre mit der Realisierung des Kita-Ausbaus, der Umgestaltung des Außengeländes und der hierdurch ermöglichten Neuregelung der Verkehrsanbindung sowie durch die Schaffung zusätzlicher Parkplätze erledigt gewesen. Ob nun eine große oder eine kleine Kita im Sinne der Kinder zu bevorzugen sei, sei „ein Glaubensbekenntnis“, erklärte Pokowietz. In anderen Städten seien sogar Kinderbetreuungseinrichtungen mit 120 bis 150 Plätzen „durchaus normal und üblich“. Kitas in dieser Größenordnung würden „auch gut funktionieren“.
SPD gegen Kita „Berliner Straße“
Am Dienstag legten die Sozialdemokraten mit einer am Morgen versandten Pressemitteilung nach, deren Kernaussagen knapp elf Stunden später praktisch gleichlautend im Stadtparlament zu hören waren. Aus Sicht der SPD-Fraktion ist der Ausbau der Kita Pusteblume „die einzige Möglichkeit, schnell und dauerhaft zu mehr Kindergartenplätzen in Weilbach zu kommen“. Darüber hinaus sei diese Lösung baurechtlich unproblematisch und wirtschaftlich günstig. Sowohl im Parlament als auch in der vorab veröffentlichten Pressemitteilung erinnerte die SPD daran, „dass in das Projekt Pusteblume schon erheblicher Planungsaufwand investiert“ worden sei. Außerdem, merkte die SPD-Fraktionsvorsitzende Marion Eisenmann-Kohl an, werfe die, auch vom Viererbündnis geforderte, Sanierung des Kitagebäudes an der Frankfurter Straße ohne den ursprünglich geplanten Anbau die Frage auf, wohin die Kinder ausweichen sollen. Da nun in Ermangelung von Räumlichkeiten keine schrittweise Sanierung des Altbaus mehr möglich sei, werde die Kita Pusteblume wohl oder übel für eine gewisse Zeitspanne schließen müssen, gab Eisenmann-Kohl zu bedenken. Es sei auch vollkommen unangemessen, im Zusammenhang mit der von Bürgermeister Antenbrink geplanten Kita-Erweiterung von einem „Monster-Projekt“ zu sprechen, schließlich sei, anders als aus den Reihen des Viererbündnisses oftmals behauptet, nie die Rede davon gewesen, dass dort 150 oder gar noch mehr Kinder betreut werden sollen. Vielmehr sei von insgesamt 100 Kindern ausgegangen worden, sagte die SPD-Fraktionsvorsitzende.
Auch die SPD-Stadtverordnete Melanie Ernst betonte, dass eine siebengruppige Kindertagesstätte im Vergleich zu einer drei- oder viergruppigen Einrichtung nicht zwangsläufig die schlechtere Variante sei, vielmehr sei wohl eher das Gegenteil zutreffend. Zum Beispiel sei es in einer großen Kita aufgrund der breiteren Personaldecke einfacher, im eigenen Hause eine Vertretung für erkranktes Erziehungspersonal zu finden. Auch die Abstimmung des Urlaubs unter den Erzieherinnen und Erziehern funktioniere besser, zudem könnten aufgrund der günstigeren Personalsituation Angebote für Kinder und Eltern ausgebaut werden. Melanie Ernst fragte vor diesem Hintergrund die Ausbaugegner: „Haben Sie mit Erzieherinnen und Leitenden gesprochen, die in sechs- bis siebengruppigen Kitas arbeiten?“ Und fügte hinzu: „Ich vermute: nein.“ Die Leiterin des Amtes für Jugend, Soziales und Kultur, Haidi Schilling, habe bestätigt, dass sowohl die Leitung und das Personal der Kita Pusteblume als auch die Eltern für den Ausbau ihrer Kindertagesstätte seien.
Dagegen stoße die Umnutzung des Spielplatzes „Berliner Straße“ auf heftigen Widerspruch. Die SPD-Stadtverordnete forderte die Mandatsträger des Viererbündnisses auf, die Kritik der Anwohner ernst zu nehmen und auch den wirtschaftlichen Aspekt nicht aus den Augen zu verlieren. Einen Spielplatz zu entfernen, um auf dem Gelände ein Provisorium zu errichten, das im Optimalfall nach vier bis sechs Jahren wieder abgerissen wird, sei „großer Unsinn“, so Ernst. Es gehe hierbei nicht nur um die Bau- und Rückbaukosten, sondern um die Tatsache, dass eine kahle Fläche zurückbleibt, die von Neuem gestaltet werden müsste.
Die SPD-Fraktion beantragte – ohne Erfolg, versteht sich – in Konkurrenz zur Magistratsvorlage, die Wiederaufnahme der Erweiterung der Kita Pusteblume.
GALF für Umdenken
Der CDU-Fraktionsvorsitzende Marcus Reif und die GALF-Fraktionsvorsitzende Renate Mohr übernahmen die Verteidigung des Aufstellungsbeschlusses. Beide betonten zugleich, dass weiterhin Alternativen zur Bebauung des Spielplatzgeländes ergebnisoffen zu prüfen seien. Renate Mohr machte sich für ein Umdenken bezüglich der Errichtungsweise von Kita-Gebäuden stark; auch hier müsse über verschiedenste Möglichkeiten nachgedacht werden. So könnten auf dem Spielplatzgelände Reihenhäuser errichtet werden, die zunächst als Kita-Standort genutzt und, wenn es die Bedarfssituation erlaubt, wieder umgewidmet und als Wohnraum genutzt werden können. Dann könnte trotzdem genügend öffentliche Grünfläche übrigbleiben, so Mohr. „Ob letztlich gebaut wird, ist gar nicht klar“, sagte die GALF-Fraktionsvorsitzende. „Wir werden alles dafür tun, eine gute, verträgliche Lösung zu finden.“
Marcus Reif verdeutlichte den Ernst der Lage: allein durch den Zuzug von Familien in die Baugebiete an der Alleestraße und an der Keltenstraße habe sich der Bedarf an Kitaplätzen enorm erhöht. Die Realisierung von Häusern im Baugebiet Krimmling werde die Situation weiter verschärfen. Gegenwärtig müsse von 100 Elternteilen – also 50 Familien – ausgegangen werden, die mindestens einen Kitaplatz benötigen. Die Politik sei dazu verpflichtet, so schnell und so gut wie möglich auf diese Herausforderung zu reagieren. Der Bau einer dauerhaften Kinderbetreuungseinrichtung in der Krimmling sei quasi alternativlos. Auch an der Notwendigkeit eines Provisoriums könne es keinen Zweifel geben, sei es doch nicht möglich, die Kinder auf andere Weise zeitnah unterzubringen. Der CDU-Fraktionsvorsitzende forderte dazu auf, alle Optionen ernsthaft und unvoreingenommen zu prüfen. Eltern und Anwohner wegen eines Ausbauprojektes, das nach gründlicher Überlegung zu Recht gescheitert sei, gegeneinander auszuspielen, sei dagegen unredlich, so Reif: „Hören wir doch mal auf mit Parteipolitik.“
Kommentare