Zur Wahrheit gehört nun einmal, dass das Flörsheimer Marienkrankenhaus seit dem 30. September 2017 Geschichte ist. Daraus folgt aber die Frage, ob man den Standort weiterhin für die Gesundheitsversorgung der Flörsheimer Bevölkerung nutzen kann und will. Eine Antwort hierauf zu finden, ist nicht nur notwendig, sondern auch dringlich. Schließlich muss die Stadt damit rechnen, dass in absehbarer Zeit einige Hausarztpraxen in Flörsheim wegen der fehlenden Nachfolge schließen werden. Ein medizinisches Versorgungszentrum könnte diese befürchtete Lücke in der allgemeinmedizinischen Versorgung schließen. Auch die Versorgung mit Fachärzten an dem Standort des ehemaligen Marienkrankenhauses zu sichern, kann im Interesse der Flörsheimer Bürgerinnen und Bürger liegen, also auch im Interesse der Stadt. Das jetzt von der Marienkrankenhaus gGmbH vorgestellte Konzept ist dafür ohne Zweifel ein interessanter Ansatz, allerdings lässt es viele Fragen offen und ist bestimmt nicht alternativlos. Dazu gehört auch die Frage, ob die Marienkrankenhaus gGmbH überhaupt ein medizinisches Versorgungszentrum will und wer der Träger sein soll. Ist das vorgestellte betreute Wohnen nur ein Deckmantel für hochpreisige Eigentumswohnungen an einem interessanten Standort?
Nun haben aber die politisch Verantwortlichen der Stadt Flörsheim im Jahr 1955 beziehungsweise 2004 umsichtig und wirtschaftlich vernünftig die Interessen der Stadt Flörsheim am Main vertreten, als sie das städtische Grundstück des ehemaligen Marienkrankenhauses dem Orden der Dominikanerinnen beziehungsweise der Marienkrankenhaus gGmbH unentgeltlich übertragen haben. Sie haben nämlich vertraglich vereinbart, dass das städtische Grundstück mit einem heutigen Wert von deutlich mehr als 1,5 Millionen Euro im Falle der Aufgabe des Krankenhauses an die Stadt zurückübertragen werden muss und von der Stadt Flörsheim ein Ausgleich in Höhe der auf dem Grundstück getätigten Investitionen geleistet werden muss, wobei ein Ausgleich für Investitionen, die mit öffentlichen Fördermitteln finanziert wurden, nicht stattfindet. Dies ist übrigens kein Geheimnis, man kann es in einem Stadtverordnetenbeschluss aus dem Jahr 2004 nachlesen. Die Stadt hat also gegenüber der Marienkrankenhaus gGmbH bei allen Verhandlungen über die zukünftige Nutzung des städtischen Grundstücks ein gewichtiges und wertvolles Faustpfand in der Hand, das nicht so ohne weiteres hergegeben werden darf. Ein wertvolles Grundstück von dieser Größe in bester Lage gibt man auch aus städtebaulicher Sicht nicht leichtfertig aus der Hand und interessierte Investoren sind gerade in der heutigen Zeit zahlreich.
Leider geschah die Schließung des Marienkrankenhauses zu einem politisch äußerst ungünstigen Zeitpunkt, mitten im aufbrechenden Bürgermeisterwahlkampf. Auch wenn die politischen Mehrheitsverhältnisse der damaligen Zeit eigentlich keiner Erwähnung bedürfen, ist dies doch von Bedeutung, wenn man die Frage beantworten will, warum sich die Marienkrankenhaus gGmbH ihren vertraglichen Pflichten bisher so einfach entziehen konnte. Dieser Tatsache gilt umso mehr Aufmerksamkeit, wenn man bedenkt, dass der Freundes- und Förderkreis Marienkrankenhaus Flörsheim e. V. wie ein verlängerter Arm der Marienkrankenhaus gGmbH heute politisch noch stärker im Magistrat der Stadt Flörsheim verankert ist und dort unmittelbar auf die Zukunft des ehemaligen Marienkrankenhauses Einfluss nehmen kann.
Deshalb muss man das, was die Fraktionen von FDP und SPD jetzt in diesem Zusammenhang gegen die ursprünglichen Absichten der Mehrheit von dfb, GALF und CDU erreicht haben, im Interesse eines transparenten politischen Handels als einen großen Erfolg bezeichnen. Die Stadtverordneten müssen jetzt keine Katze im Sack kaufen. Aber vielleicht hätte man in diesem Fall eher von einem Sack sprechen müssen, von dem die Stadtverordneten glauben sollen, dass sich darin eine Katze befindet. Nach der erfolgreichen Intervention von FDP- und SPD-Fraktion muss der Magistrat jetzt die vertraglichen Regelungen zwischen Marienkrankenhaus gGmbH und der Stadt Flörsheim der Stadtverordnetenversammlung zur Beschlussfassung vorlegen. Außerdem soll ein Wertgutachten erstellt werden, das die Stadtverordneten in die Lage versetzt, die finanziellen Auswirkungen für die Stadt zu beurteilen. Dabei darf man wohl erwarten, dass die vertraglichen Regelungen aus den Verträgen von 1955 und 2004 die notwendige Beachtung finden.
Die Möglichkeiten, die das Projekt Marienkrankenhaus für eine bedarfsgerechte medizinische Versorgung in Flörsheim bieten kann, muss man ernsthaft prüfen. Es sollten aber am Ende des Tages die Risiken aus einem solchen Projekt nicht sozialisiert werden, also bei der Stadt Flörsheim am Main allein hängenbleiben, und die Gewinne nicht ausschließlich privatisiert werden. Auch bei Investoren, die unter dem Zeichen des Kreuzes segeln, sind wirtschaftliche Interessen nicht selten höchst einseitig ausgerichtet. Schließlich sind auch die großartigen Leistungen der Dominikanerinnen heute nur noch Teil der Flörsheimer Geschichte.
Ach übrigens, natürlich ist nie ein prüffähiges Angebot der Marienkrankenhaus gGmbH im Jahr 2017 bei der Flörsheimer Stadtverwaltung eingegangen. Warum sollte man sich auch der Mühe unterziehen, wenn doch gar nicht die Absicht bestand, den vertraglichen Pflichten von 1955 beziehungsweise 2004 zu entsprechen.
Schließlich lassen die eher amüsante Idee von der Wiederbelebung des Schwimmbades im Marienkrankenhaus mit Maßen von 10 mal 4,5 Metern oder die etwas naive Idee von der Aufstockung des übersichtlichen Parkdecks an der Riedschule ernste Zweifel aufkommen, ob der Magistrat im Interesse der Stadt den juristischen, wirtschaftlichen und städtebaulichen Anforderungen dieses Projektes wirklich gerecht werden kann.
Dipl.-Ing. Michael Antenbrink
Bürgermeister a. D.
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