Leserbrief

Leserbrief

Zu: "Flörsheimer 'Zukunftswerkstatt' eröffnet", FZ Nr. 47 vom 21. November 2019

Fehlstart beim Beteiligungsprozess

Weckten die einführenden Worte des Stadtverordnetenvorstehers noch die Hoffnung auf einen informativen Abend, folgte aber dann recht schnell der Absturz in die politische Belanglosigkeit. Das hinlänglich bekannte politische Sowohl-als-auch wurde von einem entschiedenen Vielleicht beim Thema Stadtentwicklung politisch noch unterstrichen. Der Tiefpunkt war dann erreicht, als beim Thema Fluglärm eine Grafik mit den Begrenzungslinien des Casa-Gebietes der Fraport gezeigt wurde und kein Kommunalpolitiker willens oder in der Lage war darauf zu verweisen, dass rund 50 Prozent des Flörsheimer Stadtgebietes innerhalb der Siedlungsbeschränkungszone des Frankfurter Flughafens liegen und damit der städtebaulichen Entwicklung durch ein weitreichendes Bauverbot entzogen sind.

An dieser Stelle rächt sich vielleicht, dass in der Vergangenheit die Pflicht zur Durchführung von Bürgerversammlungen durch die ehemaligen Stadtverordnetenvorsteher, nicht selten mit politischer Rückendeckung, ignoriert wurde. Wo man Information erwarten konnte, gab es politische Allgemeinplätze. Obwohl die doch recht beachtliche Besucherzahl zeigte, welch großes Interesse an qualifizierter Information in der Flörsheimer Bürgerschaft vorhanden ist.

Anstelle von konkreten Informationen und realistischen Szenarien wurde den Besuchern aus den Reihen der Politik ein wirres Sammelsurium von Zahlen zur Bevölkerungsentwicklung präsentiert. Selbst unser so geschätztes Milchmädchen hätte gemerkt, dass da etwas nicht stimmen kann. Wenn Flörsheim angeblich um 5.000 Einwohner wachsen muss, werden dafür 50 Hektar Bauland benötigt. Zum Vergleich sei hier angemerkt, dass das wohl schon gescheiterte Baugebiet „Auf dem Goldborn“ in Wicker gerade einmal ein Hektar groß ist. Mit welchen Mitteln soll dies im betrachteten Zeitraum bis zum Jahr 2040 umgesetzt werden? Solange die Ausweisung von Bauland für die Kommunen mit erheblichen Risiken, nicht nur finanzieller Art, verbunden ist, woher soll die politische Motivation für ein solches Konzept kommen? Und dies in einer Zeit, in der Kommunalpolitik nicht gerade mit ihrer Verantwortungsbereitschaft glänzen kann.

So stammt dann auch die Behauptung, dass Flörsheim am Main in den nächsten Jahren auf 25.000 Einwohner wachsen werde, aus dem Reich der politischen Fantasie. Heute hat Flörsheim am Main rund 21.500 Einwohner und ist in den letzten zehn Jahren pro Jahr um rund 150 Einwohner gewachsen. Zu verdanken war dies in erster Linie den vielen Baulandreserven im Baugebiet Nord und einer intensiven Nachverdichtung. Dass dieser Prozess so nicht weitergehen wird, liegt auf der Hand. Selbst bei der völlig unrealistischen Annahme, dass jedes Jahr ein Baugebiet wie das ein Hektar große Gebiet in Wicker baureif wird, würde es bis weit über das Jahr 2040 hinaus dauern, bis in Flörsheim 25.000 Menschen leben.

Ausreichender und damit auch bezahlbarer Wohnraum ist für die Zukunft unserer Stadt in einem der dynamischsten Ballungsräume Europas von zentraler Bedeutung. Gerade weil damit so viele Fragen zur Infrastruktur und Lebensqualität in unserer Stadt verbunden sind, muss der damit zwangsläufig einhergehende Wandel geplant und organisiert werden. Das Stadtentwicklungskonzept bietet dafür eine große Chance, wenn die Organisatoren den interessierten Bürgerinnen und Bürgern für eine qualifizierte Beteiligung auch die notwendigen Grundlagen und Informationen an die Hand geben. Dass das Interesse zur Mitarbeit groß ist, hat man an diesem Abend gesehen. So bleibt jetzt zu hoffen, dass sich mit diesem Fehlstart beim Beteiligungsprozess für ein Projekt, das für die Zukunft unserer Stadt so prägend sein kann, nicht schon der Anfang vom Ende abzeichnet.

Wer allerdings glaubt, dass Flörsheim am Main in einer sich ständig verändernden Welt so bleiben kann, wie es ist, der sollte vielleicht doch einmal über einen Umzug aufs Land nachdenken.

Dipl.-Ing. Michael Antenbrink,

Bürgermeister a. D.

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