Mit faszinierender Leichtigkeit Weilbacher Kiesgruben: Entdeckungstouren zu flatternden Schönheiten und sechsbeinigen Freaks

Einer, der sich auskennt: Alfred Westenberger aus Marxheim ist im Main-Taunus-Kreis der Fachmann für Schmetterlinge. Deren Leichtigkeit fasziniert ihn schon seit seiner Kindheit.

Weilbacher Kiesgruben: Entdeckungstouren zu flatternden Schönheiten und sechsbeinigen Freaks

Das breit gefächertes Freizeit- und Erholungsangebot auf dem Gelände der Weilbacher Kiesgruben dient – gerade jetzt, nach den ersten Lockerungen seit Corona - als Ausflugsziel für die gesamte Familie. Bei Spaziergängen durch die rekultivierten Kiesgruben kann man sie entdecken: Schön und vor allem besonders ist die Schmetterlingsvielfalt, interessant die Entwicklung der Nektar- und Raupenpflanzen.

Am vergangenen Sonntagnachmittag hatten sich mehrere Personen am Naturschutzhaus Weilbacher Kiesgruben eingefunden, um auf Erkundungstour zu den Schmetterlingen zu gehen. Schmetterlingsexperte Alfred Westenberger und Martina Teipel, Leiterin des Naturschutzhauses, begrüßten die interessierten Teilnehmer. Wie auch in den Vorjahren fand die Veranstaltung in Kooperation mit der HGON (Hessische Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz) und dem NABU statt. Um die Teilnehmerzahl zu begrenzen, war eine vorherige Anmeldung notwendig gewesen.

Mit Larven besonderer Edelfalter kennt Alfred Westenberger sich bestens aus. Er besitzt nämlich die Erlaubnis der Unteren Naturschutzbehörde, Tagfalter zu züchten. Besondere Exemplare aus seiner Züchtung hatte er zur Ansicht von zuhause mitgebracht. Mit Mund-Nasen-Schutz ausgestattet, mit Kameras und riesigen Teleobjektiven ausgerüstet, zog die Gruppe los, um Widderchen, Distelfalter, Würfel-Dickkopffalter und Pfauenauge zu finden. Zielstrebig und mit einem Schmetterlingsnetz unter dem Arm schritt Westenberger voran. Hier kennt er sich bestens aus – er weiß genau, wo er die Schmetterlinge findet. Und es kommt durchaus vor, dass er mit seinem Kennerblick Falter entdeckt, die so gut wie ausgestorben sind. Laien und Experten, Kinder und Erwachsene, die sich für Schmetterlinge und deren Nahrung interessieren oder auch einsetzen - alle folgten dem „Vater der Schmetterlinge“ auf dem Weg durch das Naturschutzgebiet.

Mit unbekümmerter Leichtigkeit und Zerbrechlichkeit waren allerdings nur einige wenige Falter unterwegs. Es blieb zwar trocken, doch Schmetterlinge haben es gerne warm. „Es ist nicht der optimale Tag heute, doch bei der nächsten Wärmeperiode geht’s los, dann werden die Wiesen voller sich tummelnder Schmetterlinge sein“, dessen war sich Alfred Westenberger sicher, „sobald die Temperaturen steigen, sind auch die Schmetterlinge da“.

Die Sonne weckt sie auf

Nicht nur Murmeltiere halten Winterschlaf, auch einige Schmetterlingsarten, wie beispielsweise der Zitronenfalter, tun das. Er verbringt den Winter nahezu ungeschützt. Sein Quartier kann eine Baumspalte sein, die Unterseite eines Blattes oder ein Grasbüschel. Seine besondere Winterhärte verdankt der Zitronenfalter einem körpereigenen "Frostschutzmittel". Durch das eingelagerte Glyzerin gefriert die Körperflüssigkeit nicht.

Außerdem scheidet der Zitronenfalter zu Beginn der kalten Tage einen Teil seiner Körperflüssigkeit aus. Er lässt praktisch alles Wasser ab, das er nicht braucht, damit er den Winter überstehen kann. Um die 100 Eier legt ein Weibchen im Frühjahr auf mehreren Zweigen ab. Nach ein bis zwei Wochen schlüpft eine Raupe aus dem Ei. Zitronenfalter werden schon von wenigen wärmenden Sonnenstrahlen zu neuem Leben erweckt, so dass sie bei günstiger Witterung theoretisch zu jedem Tag im Jahr beobachtet werden können. Übrigens: Wenn Zitronenfalter sich sonnen - und das tun sie im Frühjahr ausführlich -, breiten sie ihre Flügel nicht aus, wie andere Schmetterlinge, sondern falten sie zusammen und setzen sich seitlich dem Sonnenlicht aus.

„Die kleinen Bläulinge kommen jetzt bald. Sie erkennt man meist relativ leicht an den blauen Flügeloberseiten“, erklärte Alfred Westenberger - jedoch gibt es auch Bläulinge, die keine blauen Flügel haben, sondern eher braun sind. "Männchen und Weibchen unterscheiden sich bei vielen Arten ein wenig in ihrem Aussehen, oft sind diese Unterschiede auf der Oberseite der Flügel zu sehen. Bei zahlreichen Arten finden sich die charakteristischen Merkmale auf den Flügelunterseiten“.

Westenberger weiß, was Schmetterlingsraupen fressen: Der gemeine Bläuling mit dem zungenbrecherischen lateinischen Namen Polyommatus icarus legt seine Eier im gelb blühenden Hornklee ab. So lernten die Teilnehmer ganz nebenbei die anspruchslosen, aber nützlichen „Schmetterlingsblütler“ mit den kleinen, gelben Blüten kennen.

„Die Raupen des Distelfalters findet man oft an Brennnesseln, sie ist eine der wichtigsten Futterpflanzen der Larven dieser Schmetterlingsart“, weiß der Fachmann. Auffallend ist: Die Falter stehen auf "Blau" – sie suchen im Sommer meist Distelblüten und den sehr beliebten Schmetterlingsflieder zum Trinken von Nektar auf. Einige Falter überwintern als "Eier", andere wiederum als Raupen oder Puppen. Die Raupen überstehen die kalten Wintermonate in verschiedenen Entwicklungsstufen, als junge, als halberwachsene oder als erwachsene Raupen an verschiedenen Plätzen. Die meisten von ihnen jedoch nehmen auch im Frühjahr noch Nahrung zu sich, so dass sie sich erst spät verpuppen. Die ersten Falter schlüpfen dann etwa im April oder Mai. Bevor der fertige Falter endlich fliegen kann, muss er sich unter großen Mühen und alleine ans Tageslicht kämpfen.

Ebenso gibt es Nachtfalter, die als Falter in wärmeren Gebieten überwintern. Ansonsten haben sie bei kalten Temperaturen keine oder kaum eine Überlebenschance. Im Frühsommer wandern sie aus den südlichen warmen Gefilden nach Deutschland ein, weshalb sie auch als "Wanderfalter" bezeichnet werden. Sie pflanzen sich hier fort und erzeugen eine neue Generation von Faltern, die im Hochsommer unterwegs sind. Einige dieser Falter fliegen im Herbst wieder in die wärmeren südlichen Gebiete zurück. „Aber auch die große Hitze kann für die Falter zum Problem werden. Sie werden dann sehr unruhig oder ziehen sich in den Schatten zurück“, erklärt Alfred Westenberger.

Finger weg von der Giftspritze

Die meisten heimischen Schmetterlinge ernähren sich von Blütennektar und sie bestäuben dabei viele Pflanzen. Nur mit den "richtigen" Blüten sind Schmetterlinge anzulocken - je vielfältiger das Angebot, desto attraktiver finden das die flatternden Schönheiten. Jedoch gibt es Nahrungspflanzen, die zwar die Schmetterlinge lieben, die aber für Raupen völlig ungeeignet sind. Mit Zitterpappeln, Saalweiden und der einfachen Heckenrose ließe sich die Anzahl der Schmetterlinge erhöhen. „Es ist immens wichtig, dass wir diese natürlichen Räume unbedingt beachten und erhalten“, betonte der Fachmann mit Nachdruck, „für unsere Kinder und unsere Enkel“.

Der einfachste Einstieg in einen eigenen, schmetterlingsfreundlichen Garten ist ein Wildblumenbeet. Es gibt sogar Saatgut, das speziell auf die Bedürfnisse der Schmetterlinge ausgerichtet ist. Denn: Nur mit den richtigen Blüten lassen sich die Schmetterlinge in den eigenen Garten locken. „Lassen Sie Ihren Rasen ruhig mal zur Blumenwiese werden und lassen Sie auf jeden Fall die Finger von der Giftspritze“, empfiehlt Alfred Westenberger, „dann werden sich die Schmetterlinge in Ihrem Garten wohlfühlen!“

Schmetterlinge – ihre Leichtigkeit - faszinieren ihn schon seit seiner Kindheit. Schon damals konnte er die Schmetterlinge anhand eines Buches zuordnen. Das inspirierte ihn, ebenfalls ein Buch herauszugeben, eine Bilddokumentation mit wunderschönen Fotos und Beschreibungen:

„Tagfalter und Widderchen der Stadt Frankfurt am Main, der Kreisgebiete Hochtaunus, Main-Taunus und der näheren Umgebung“, erschienen in der 2. aktualisierten und erweiterten Auflage im Jahr 2017, von Wolfgang Peuker und Alfred Westenberger.

Den Insekten auf der Spur

Eine Einführung in die bunte Vielfalt der faszinierenden Insekten bot der Biologe Matthias Fehlow ab 16 Uhr, Treffpunkt war hier ebenfalls das MTK-Naturschutzhaus.

Mit ihrer Vielfalt ohne Grenzen sind die kleinen, faszinierenden Krabbler äußerst wichtig für die Umwelt. Die Insekten sind für das Gleichgewicht aller Ökosysteme unentbehrlich. Wenn auch für das menschliche Auge manchmal kaum zu erkennen, sind sie uns Menschen zahlenmäßig weit überlegen. Manche der Krabbeltierchen besitzen sogar furchteinflößende Mundwerkzeuge und raffinierte Verteidigungswaffen. Doch in den vergangenen Jahrzehnten haben sowohl die Artenvielfalt der Insekten als auch deren Anzahl leider deutlich abgenommen.

Es brummt und summt immer weniger in der Landschaft. Auf der Entdeckungstour durch die Weilbacher Kiesgruben galt es herauszufinden, wo und in welchen Lebensräumen sich die fliegenden, krabbelnden und hüpfenden Insekten besonders wohlfühlen und warum sie so wichtig für Natur und Mensch sind.

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