Von Angesicht zu Angesicht

Nicht nur am Tag der offenen Tür sind dem Alevitischen Kulturverein Gäste willkommen

HATTERSHEIM (ak) – Im Rahmen der Interkulturellen Wochen 2012 lud der Alevitische Kulturverein Hattersheim zum ersten Mal zu einem Tag der Offenen Tür in seine Vereinsräume in der Rheinstraße in Okriftel ein. Jeder Besucher wurde gastfreundlich empfangen, ein kleines Buffet, Kuchen, Kaffee und Tee war für alle angerichtet. Besonders gefreut hat sich der „Dede“ (der Geistliche) der Gemeinde, Muzaffer Akkus, auch über die Besuche von Vertretern der Stadt Hattersheim und der Ausländerbeauftragten Bosilja Dreher. 

 

Der Alevitische Kulturverein hat in Hattersheim und Umgebung (sein regionales Einzugsgebiet reicht bis Hofheim und Flörsheim) etwa 300 Mitglieder, er ist einer von 132 dem Dachverband AABF (Almanya Alevi Birlikleri Federasyon, zu deutsch: Alevitische Gemeinde Deutschland) angeschlossenen Vereinen. Insgesamt leben in Deutschland etwa 700.000 Aleviten. In den Vereinen wollen sie ihre alevitische Kultur und ihren Glauben pflegen und an die nächste Generation weitergeben. 
Die Aleviten glauben an den Propheten Mohammed und an den Begründer ihrer Glaubensrichtung, Mohameds Schwiegersohn Ali ibn Abi Talib. Sie befolgen einen „Glaubensweg“, der sie durch „vier Tore“ mit jeweils zehn Geboten zu Gott führt. Im Unterschied zu anderen muslimischen Glaubensgemeinschaften gibt es bei den Aleviten keine Trennung zwischen Männern und Frauen etwa beim Gebet. Alevitische Frauen tragen auch keine Kopftücher. Bei ihren Gottesdiensten sitzen alle Gläubigen im Halbkreis vor ihrem Dede, jeder der den Raum betritt – ob Mann, Frau oder Kind – wird in diesen Kreis gleichberechtigt aufgenommen. „Wir sitzen beim Gebet von Angesicht zu Angesicht, weil wir in jedem Menschen Gottes Gesicht sehen“, erklärt Muzaffer Akkus, „nach unserem Glauben sollen alle Menschen, gleich welcher Nation, mit den gleichen Augen betrachtet werden, ohne Unterschiede wegen ihrer Rasse oder Konfession.“ 
Auch am Tag der Offenen Tür waren Tische und Stühle zu einem großen „U“ aufgestellt, damit jeder jeden anschauen konnte. Aleviten versuchen im Einvernehmen mit ihren Mitmenschen und der Natur zu leben, eine Pilgerfahrt zur Kaaba ist für sie dazu nicht notwendig. „Man muss nicht nach Mekka reisen, um die Menschen zu achten“, findet Muzaffer Akkus.
In ihren Vereinsräumen kommen sie zum gemeinsamen Gebet zusammen, dort werden auch „Henna-Abende“ (die Abende vor einer Hochzeit, ähnlich der „Polterabende“) oder Verlobungen gefeiert und auch kulturelle, geschichtliche oder politische Veranstaltungen finden dort statt. „Unsere Veranstaltungen sind für alle offen, jeder kann vorbeikommen“, lädt der Dede der Gemeinde ein. „Wir vermieten unsere Räume auch, etwa an private Veranstalter, an Vereine oder auch an die Stadt.“ In Hattersheim nimmt der Verein am kulturellen Leben teil, indem sich seine Mitglieder beim Ausländerfest engagieren, selbstverständlich ist für sie auch die Teilnahme am Interreligiösen Gebet. „Wir sind von unserer Kultur her offen, haben uns aber bisher ein bisschen gescheut, selbst eine Veranstaltung zu organisieren, vielleicht wegen der Sprache – aber wir werden das jetzt ändern und auch im nächsten Jahr wieder zum Tag der offenen Tür beim Alevitischen Kulturverein einladen und das dann auch noch vorher ein wenig mehr publik machen“, kündigt Muzaffer Akkus sympathisch lächelnd und in bestem Deutsch an. Der Geistliche lebt seit 1977 in Deutschland, er ist hier aufgewachsen und wohnt zurzeit in Flörsheim. Man kann nur empfehlen, die Einladung anzunehmen, um dort nette, gastfreundliche Hattersheimer Mitbürger kennenzulernen.
Ein Zitat von Yunus Emre, einem alevitischen Philosophen, gibt der Dede Muzaffer Akkus noch mit auf den Weg: „Das Menschenherz ist Gottes Thron, Gott schaut ins Herz hinein – es ist ein verhängnisvoller Mensch, wer ein Herz kränkt.“ 
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