Ehrenamtlich und menschlich engagiert

Jubiläum in der Hattersheimer Siedlung: 10 Jahre Integrationslotsen

Die „Improlotsen“, eine Improvisationstheater-Gruppe, sind immer ein Garant für einen unterhaltsamen Abend.
(Foto: A. Kreusch)

HATTERSHEIM (ak) – Mit einem fröhlichen, internationalen Fest feierten das Stadtteilbüro Hattersheim, die Hattersheimer Wohnungsbaugesellschaft (HaWoBau) und die Caritas Main-Taunus am Freitag, 11. März, im Südringtreff das 10-jährige Jubiläum der Hattersheimer Integrationslotsen. Dabei waren nicht nur Ansprachen von Bürgermeisterin Antje Köster, Holger Kazzer, Geschäftsführer der HaWoBau, und Ottmar Vorländer, Geschäftsführer der Caritas Main-Taunus, zu hören, auch alle Integrationslotsen stellten sich und ihre ehrenamtliche Arbeit vor. Außerdem traten die „Improlotsen“ auf und „MAQAM Akustik“ spielte orientalische Musik. Ein großes, buntes und „hausgemachtes“, internationales Buffet rundete den Abend auch kulinarisch sehr gelungen ab.

Christine Seibert von der Caritas und Heike Bülter vom Stadtteilbüro führten gut gelaunt durch den Abend, bei dem auch Integrationslotsen aus Flörsheim und Liederbach sowie einige ehemalige Wegbegleiter der Hattersheimer Integrationslotsen zu Gast waren. In einem Gruppenraum des Südringtreffs war noch einmal die Ausstellung „Wege in die Fremde“ zu sehen, die mit Bildern und Texten die Wege einstiger „Gastarbeiter“ von 1955 bis in das heutige Hattersheim veranschaulicht.

Die Hauptpersonen der Feier waren Abdulhai Asisi, Canan Yesilbas, Emine Sezginer, Erdal Zorlu, Agustin Martin Peláez, Svetlana Friebus, Hanim Gülten, Yohng-Sang Kim, Fatima Abounachat und Rabia Malik, allesamt Hattersheimer verschiedenster Herkunft, die sich den Gästen zunächst alle mit einem Gruß in ihrer Muttersprache vorstellten. Nach einer entsprechenden Ausbildung sind sie als interkulturelle Vermittler in ihrer Heimatstadt tätig, die etwa von Schulen, von Schulsozialarbeitern, von Kindertagesstätten oder dem Sozialamt angefordert werden. Auch Migrantinnen und Migranten treten mit ihnen in Kontakt, die ihre Hilfe beim Umgang mit deutschen Institutionen oder bei Übersetzungen benötigen. Die Hattersheimer Integrationslotsen können in den Sprachen Arabisch, Amazigh, Deutsch, Englisch, Persisch, Russisch, Spanisch, Türkisch, Paschtu, Koreanisch, Japanisch, Dari, Urdu, Hindi und Punjabi helfen; das Stadtteilbüro – über das auch die Kontaktaufnahme zu den einzelnen Integrationslotsen erfolgt – begleitet und koordiniert die Gruppe dabei.

Im Jahr 2006 ist das damals sehr innovative Integrationslotsenprojekt vom Quartiersmanagement der Hattersheimer Siedlung ins Leben gerufen worden, es hat inzwischen als „Hattersheimer Modell“ viele Nachahmer im Main-Taunus-Kreis gefunden. Seit 2013 ist es ein Kooperationsprojekt des Caritasverbandes Main-Taunus und der HaWoBau. Die meisten der Integrationslotsen, mit denen das Projekt vor zehn Jahren startete, sind auch heute noch mit Enthusiasmus und Freude dabei, einige mehr sind inzwischen dazugekommen. „Es macht so viel Spaß, mit euch zu arbeiten – das Integrationslotsenprojekt ist eines meiner Lieblingsprojekte!“, lobte Heike Bülter die enge und gute Zusammenarbeit mit den Beteiligten.

Bürgermeisterin Antje Köster freute sich sehr darüber, beim 10-jährigen Jubiläum auch die Ehrenamtliche MTK-Kreisbeigeordnete Ingrid Hasse (die sogar eine Tasche voller süßer Geschenke für die Integrationslotsen mitgebracht hatte) und den Schulleiter der Regenbogenschule, Uwe Simon, begrüßen zu können. Fast noch mehr gefiel es ihr aber auch, „meine Mädels vom harten Kern“, die Seniorinnen des Runden Tischs der Hattersheimer Siedlung, bei der Feier zu treffen. „Das ist jetzt genau der richtige Zeitpunkt, hier in Hattersheim Toleranz und Respekt miteinander zu leben und zu feiern“, erklärte Antje Köster, die sich glücklich darüber zeigte, dass es nun schon zehn Jahre Integrationslotsen in der Stadt gibt. Sie würdigte Heike Bülter und Eberhardt Roth vom Stadtteilbüro als Menschen, die immer für „ihre“ Bewohner da sind und die das Integrationslotsenprojekt auch über die Stadtgrenzen hinaus bekannt gemacht haben. „Das ist hier in der Siedlung geboren und wird von anderen Kommunen nun aufgegriffen“, lobte auch sie, wie vorbildlich das Projekt war und ist. Antje Köster zeigte sich dankbar, dass die Stadt Hattersheim ihre Wohnungsbaugesellschaft behalten hat und dass so das Projekt „Soziale Stadt“ – „von gutem Miteinander und Respekt getragen“ – hier noch weitergeführt werden kann. „Bitte habt auch weiterhin ganz viel Geduld und Verständnis für die Menschen, die neu zu uns kommen“, wünschte sie sich für die Zukunft.

Auftritt der „Improlotsen“
Die „Improlotsen“ sind eine Improvisationstheatergruppe, deren Mitglieder zum großen Teil zu den Hattersheimer Integrationslotsen gehören und die daher (nicht nur!) in der Hattersheimer Siedlung wohlbekannt sind. Ihre Auftritte werden immer mit Spannung und Freude erwartet, selbstverständlich waren daher auch schnell die Vorgaben für die Szenen der Improlotsen per Zuruf aus dem Publikum gefunden und alle konnten bald eine „interkulturelle Auseinandersetzung“ mit Begriffen wie „deutsche Pünktlichkeit“, „schimpfen“ oder „Gartenarbeit“ erleben. So manche Lachträne kullerte über die Wangen der Zuschauer – und die Improlotsen mussten sich an manchen Stellen sehr beherrschen, nicht lauthals mitzulachen.

Im Namen der HaWoBau begrüßte Geschäfstführer Holger Kazzer alle Gäste des Abends. Er beglückwünschte die Intergrationslotsen für „zehn Jahre Lebenskompetenz, Engagement und Mitgefühl“. „In den zehn Jahren haben viele Mieter der HaWoBau die Hilfe der Integrationslotsen genutzt. Menschen, die Aufnahme in einem fremden Land finden, sind in einer existentiellen Situation und wünschen sich viel Hilfe, denn der Weg kann weit sein bis zur Integration oder gar Inklusion“, weiß Kazzer. „Die Lotsen tragen in großem Maß dazu bei, dass sie den Weg gehen können – ihre Kompetenz wird begleitet von Humor, das ist eine wunderbare Mischung! Wir als HaWoBau stellen nicht nur Wohnraum zur Verfügung: Hier wohnen heißt auch hier leben – wir unterstützen das Integrationslotsenprojekt gern!“. Holger Kazzer bedankte sich bei der Kooperationsstelle der Caritas, Christine Seibert und Ottmar Vorländer.

Hilfe zur Selbsthilfe
Ottmar Vorländer erinnerten die Aufgaben der Integrationslotsen an seine Kindheit am Mittelrhein. „Bei uns wurden den Kapitänen in den Stromschnellen Lotsen als Berater zu Seite gestellt – sie übernahmen nie das Kommando über die Schiffe, sondern standen bei der Durchfahrt beratend zu Seite“, weiß er noch heute, und zieht Parallelen: „Die Integrationslotsen führen Migranten nun schon seit zehn Jahren durch ihnen unbekannte Gewässer in den Heimathafen. Sie ermutigen, senden die Botschaft 'wir achten auf euch, wir stehen euch zur Seite'. Wo andere Hass säen, setzen sie sich für Einbeziehung ein. Den Fremden als Gast aufzunehmen, gehört zu den obersten Geboten in allen Religionen, die Not in unserer Stadt erlaubt da keine neutrale Haltung. Sie stellen sich die zentrale Frage: Was tut Krieg und Verfolgung den Menschen an? Kann ich da vorübergehen? Das ist gelebte Mitmenschlichkeit in Hattersheim!“

Auch der in der Hattersheimer Siedlung unvergessene Stefan Schmidl war an diesem Abend im Südringtreff wieder zu sehen und zu hören, er interviewte in einem kurzen Film des ehemaligen Siedlungskanals K 4 aus den Anfängen des Projektes unter anderem Gabriele Dirks (auch sie war bei der 10-Jahres-Feier zu Gast), die Weiterbildungen für die Hattersheimer Integrationslotsen durchführte. „Integrationslotsen sollen als kulturelle Übersetzer tätig werden, sie sollen Missverständnisse, die hochkochen, ausräumen“, lernten die Lotsen schon damals von ihr.

Schließlich berichteten die Integrationslotsen selbst den Gästen der Feier kurz von ihren vielfältigen Tätigkeiten. Ob die Begleitung eines Kindes in eine Klinik notwendig ist, ob es darum geht, Jugendliche zu motivieren, sich um einen Ausbildungsplatz zu bewerben, ob ein Migrant Unterstützung bei einem Bewerbungsgespräch braucht, ob einer jungen Mutter dabei geholfen werden muss, sich von ihrem gewalttätigen Mann zu trennen und auf eigenen Füßen zu stehen, ob eine Wohnung gesucht werden muss oder ob es auch mal notwendig ist, sich „einen aufmüpfigen Jugendlichen vorzuknöpfen“, die Hattersheimer Integrationslotsen stehen stets bereit, den Migranten in ihrer Muttersprache beim Ausfüllen von Formularen, beim Kontakt zu Ämtern oder bei der Vermittlung an Facheinrichtungen zu helfen. Dass Migranten oft schon Hilfe bei Dingen brauchen, die für Deutsche ganz selbstverständlich sind, machte eine Erzählung besonders deutlich. Eine Dame aus Afghanistan habe sich an einen Integrationslotsen gewandt, nachdem ihr Asylantrag positiv beschieden wurde und sie eine eigene Wohnung bekam, die sie nun ausmessen sollte. Sie wusste nicht, wo sie in Deutschland einen Zollstock kaufen konnte. So schwer könne das Alltagsleben sein, wenn man fremd ist und sich nicht auskennt. Mit wunderbarer orientalischer Musik von MAQAM Akustik klang der Abend im Südringtreff bei vielen interessanten Gesprächen aus.

 

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