Freiluftausstellung traf den Nerv der Zeit

Fotografien von „Hattersheimer Köpfen“ mit Corona-Schutzmasken fielen wiederholt dem Vandalismus zum Opfer

Heike Bülter vom Stadtteilbüro (links) und die Fotografin Andrea Kreusch (rechts) am vergangenen Freitag bei der Finissage zur Ausstellung „Hattersheim(er*innen) – sympathisch auch mit Maske“.

Ihren ausdrücklichen Dank an alle, die bei diesem "gruseligen Wetter" den Weg an den Ballfangzaun zwischen Bolzplatz und der neuen Skate-Anlage unter dem Hessendamm gefunden hatten, formulierte am vergangenen Freitagnachmittag Heike Bülter vom Stadtteilbüro der Hattersheimer Wohnungsbau GmbH (Hawobau). Und in der Tat: Es war für Anfang April ausgesprochen kalt und vor allem auch trüb und verregnet - und dennoch fanden einige Gäste den Weg zur Finissage der Ausstellung „Hattersheim(er*innen) – sympathisch auch mit Maske“ mit Fotografien von Andrea Kreusch.

Eröffnet wurde die Ausstellung ursprünglich bereits am 19. Februar 2021; der ursprüngliche Schauplatz war der Bauzaun des neuen Hawobau-Gebäudes auf der Südseite des Hattersheimer Bahnhofs. Gezeigt wurden "Hattersheimer Köpfe", die allesamt Masken zum Schutz vor dem Coronavirus tragen. Präsentiert wurde die Ausstellung vom Caritasverband Main-Taunus e.V. und dem Stadtteilbüro der Hawobau.

Porträts auch mit Maske aussagekräftig

Klaus Störch, der Leiter der Caritas-Facheinrichtung für Wohnsitzlose Haus St. Martin am Hattersheimer Autoberg, betonte seinerzeit, dass in Zeiten der Pandemie ein "Stillstand der Kultur" drohe und deshalb andere Formate zu deren Präsentation nötig seien. Schon seit vielen Jahren setzt sich Störch intensiv für die Förderung kultureller Arbeit ein, und deshalb war er auch prompt bereit, die Möglichkeiten einer Ausstellung im öffentlichen Raum auszuloten. Schnell rückte hier die Idee der Hattersheimer Fotografin Andrea Kreusch zur Präsentation von "Menschen mit Masken" in den Fokus. Eine Idee, deren Entwicklung bereits im Spätsommer 2020 begann. Damals häuften sich ihr gegenüber Stimmen, die der Ansicht waren, dass es sich gar nicht erst lohne, maskentragende Menschen zu fotografieren - so würden doch eh alle gleich aussehen, und Gefühlsregungen seien nicht erkennbar. Diese weit verbreitete Annahme wollte Andrea Kreusch widerlegen: "Mit den Bildern möchte ich zeigen, dass dies so nicht stimmt – man kann auch mit den Augen lachen, jeder bleibt unter seiner Maske doch derselbe Mensch", sagte sie seinerzeit im Vorfeld der Ausstellungseröffnung. Auch unter Hygienevorschriften vor dem Hintergrund einer Pandemie könne man sich eine positive innere Einstellung bewahren, die ein Gegenüber auch als solche erkennen kann - Maske hin oder her.

Und diesen Beweis hat Andrea Kreusch mit ihren Fotos tatsächlich erbringen können: Man kann zielsicher erahnen, welche Miene die fotografierte Person auf den jeweiligen Porträts gerade hinter der Maske verzieht.

Auch Heike Bülter und Eberhard Roth vom Stadtteilbüro in der Hattersheimer Siedlung erklärten sich direkt zur Unterstützung des Projekts bereit. Die Hawobau stellte gerne den Bauzaun Am Untertor für die Galerie unter freiem Himmel zur Verfügung.

Heftige Reaktionen

Was nach dem Ausstellungsbeginn im Februar 2021 passiert ist, hat alle Organisatorinnen und Organisatoren sehr überrascht, berichtete Heike Bülter anlässlich der Finissage. Neben vielen positiven Reaktionen fielen große Teile der ausgestellten Porträts dem Vandalismus zum Opfer. Die Bilder wurden abgerissen, zerrissen, beschmiert. Und doch hat man sie immer wieder aufgehängt.

Der Verdacht liegt nahe, dass sich Leute, die eine tief verankerte Impf- und Maskenverweigerungshaltung mit sich herumtragen, an den Bildern abreagiert haben. Man zeigte sich seitens der Caritas und des Stadtteilbüros sogar bereit für einen Dialog und interessiert an den Gründen, warum die Ausstellung manche Leute derart in Rage versetzt hatte. Hierfür bot man neben den Bildern einen "Platz für Kommentare", auf dem Kritiker ihre Gedanken, von Sorgen über Ängste bis hin zu Wut, hätten ausformulieren können. Aber auch dieser Raum wurde nur für destruktive Schmierereien und Slogans genutzt.

Im Rahmen der zweiten Auflage der Ausstellung fielen zahlreiche Bilder dem Besprühen mit Farbe zum Opfer.

Die finale Ausstellung unter dem Hessendamm war nun bereits der dritte Anlauf, um die fotografischen Werke von Andrea Kreusch der Öffentlichkeit zu präsentieren. Weil man sich gesagt habe: "Wir lassen uns das nicht nehmen", so Heike Bülter.

Schon also die Fotografien am ursprünglichen Ausstellungsort wieder abgenommen worden waren, versprachen die Organisatoren, dass aus Respekt und Dankbarkeit die Bilder aller Fotografierten noch einmal würdevoll und in voller Pracht präsentiert werden sollten. Dieser Zeitpunkt war nun am vergangenen Freitag gekommen, und alle, die sich für die Ausstellung als "Modell" zur Verfügung gestellt hatten, konnten ihr eigenes unversehrtes Bild mit nach Hause nehmen - gerne gegen eine kleine Spende für die Hattersheimer Hofheimer Tafel. Diese leide derzeit unter besonderen Engpässen, berichtete Heike Bülter. Die Menge an Lebensmitteln sei gesunken, und gleichzeitig kommen immer mehr Leute zur Tafel, darunter neuerdings verstärkt auch Geflüchtete aus der Ukraine.

Die porträtierten Personen, die der Finissage nicht beiwohnen konnten, haben natürlich alternativ die Möglichkeit, ihre Bilder im Stadtteilbüro abzuholen.

Andrea Kreusch berichtete noch, dass als weiterer Bestandteil dieses kulturellen Projekts ursprünglich auch eine öffentliche Lesung aus dem Buch "Liebe auf Mindestabstand", einer Sammlung von Kurzgeschichten und Gedichten von Autorinnen und Autoren aus dem Main-Taunus-Kreis, stattfinden sollte. Hohe Infektionszahlen und gravierende Lockdownmaßnahmen sorgten wiederholt für Verschiebungen des Projektstarts, bis man sich schließlich dafür entschied, zumindest schon einmal die Bilder öffentlich aufzuhängen.

Was man auf jeden Fall abschließend festhalten kann: Die Ausstellung konnte eine enorme Aufmerksamkeit generieren und hat, gut erkennbar anhand der teils heftigen Reaktionen, zweifellos einen Nerv der Zeit getroffen. Und Andrea Kreusch hat bewiesen: Eine sympathische persönliche Ausstrahlung kann man auch mit einer Maske im Gesicht erfolgreich transportieren.

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