Am Donnerstag, 8. Mai, hatte der Hattersheimer Geschichtsverein zu einer Sonderführung anlässlich des Kriegsendes in Europa vor 80 Jahren eingeladen. Das Thema: „Eine neue Heimat – Aufnahme von Flüchtlingen und Vertriebenen in Hattersheim am Beispiel der Taunus-Glashütte“. Im Mittelpunkt der von Ulrike Milas-Quirin geleiteten Führung stand also vor allem die unmittelbare Nachkriegszeit und damit die Zeit des Wiederaufbaus.
So war die 1948 gegründete Glashütte ist ein typisches Beispiel für die deutsche Nachkriegsgeschichte: Hochspezialisierte Flüchtlinge und Vertriebene fanden dort Arbeit und in Hattersheim eine neue Heimat. Das Hessische Wirtschaftsministerium hatte seinerzeit empfohlen, in der Gemeinde Hattersheim eine Glashütte anzusiedeln, weil das im öffentlichen Interesse gewesen sei.
So kamen im März 1946 die ersten Arbeiter nach Hattersheim, die zunächst im Saal des alten Schützenhofes untergebracht wurden, schilderte Ulrike Milas-Quirin anhand eines Zeitzeugenberichts. Danach wurden sie in die beschlagnahmten Zimmer der Altbürgerwohnungen eingewiesen. Die Beschlagnahmungen lieferten natürlich Konfliktpotenzial - aber es half nichts, denn die Leute mussten ja endlich wieder eine Bleibe haben. In den meisten Fällen ging es jedoch gut, und es entstanden sogar langjährige Freundschaften.
Bereits Ende 1946 konnte in den Taunus-Glaswerken mit der Produktion begonnen werden, 30 Arbeiter waren unter anderem mit der Produktion von Einmachgläsern und Bedarfsartikeln für Krankenhäuser beschäftigt.
Weit verbreitete Unterernährung
Im Laufe der Führung wurde auch immer wieder deutlich, dass es in der damaligen Zeit häufig schon am Notwendigsten fehlte. So hatte der Landrat im Mai 1946 gemeldet, dass kaum noch Kartoffeln für Flüchtlinge erhältlich seien und über 50 Prozent der Kinder im Main-Taunus-Kreis unterernährt waren. Arbeiter mussten wegen geringerer Lebensmittelrationen ihre Arbeitszeit verkürzen. Auch Schulbesuche wurden eingestellt, weil die Kinder hierfür einfach zu schwach waren. "Die Sicherstellung der Ernährung war also das vordringlichste Problem", stellte Ulrike Milas-Quirin fest und verwies auf zwei Säcke, sie sich in der Sammlung des Heimatsmuseums befinden: Diese kamen aus den USA. 1946 wurde mit der Verteilung von Care-Paketen begonnen und ein Jahr später lief der Marshallplan an. In diesem Zusammenhang wurde unter anderem auch Getreide in eben jenen Säcken geliefert.
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