Wer die Hattersheimer Stadthalle heute betritt und sie noch von früher her kennt, fühlt sich sofort wieder heimisch: Die zwangsläufig unter strengen Denkmalschutzgesichtspunkten vollzogene Grundsanierung des historischen Versammlungsortes sorgt zwar dafür, dass unter der Fassade nun die neueste Technik schlummert - auf den ersten Blick ist jedoch fast alles beim alten geblieben. Dazu zählt auch die Farbgebung; für einen waschechten Neubau hätte man im Jahre 2022 wohl kaum noch primär auf erbsengrüne Wände gesetzt. Aber Denkmalschutz verpflichtet nun mal.
Auch bezüglich der Außenhülle hat sich augenscheinlich kaum etwas verändert: Die historische Metallfassade wurde erhalten und instand gesetzt; sie hat sich trotz neuer Dämmung ihre Ursprungsgestalt bewahrt.
Unverändert ist die "Sahara-Rose" von Gerhard Matzat, die der berühmte Hattersheimer Künstler im Jahre 1972 zur ursprünglichen Eröffnung der Stadthalle beigesteuert hatte, der erste Blickfang für Besucher im Foyer.
Die große Rotunde mit der Lichtkuppel im Zentrum der Stadthalle wurde ebenfalls im Sinne des Denkmalschutzes instand gesetzt. Dabei sind die wesentlichen Bestandteile der Glasfassade, das Dach sowie die Lichtkuppel ausgetauscht worden.
Vor fünf Jahren begann das Projekt noch als "Energetische Sanierung mit Nutzungsertüchtigung". Dabei ist es nicht geblieben, dank diverser Änderungen von gesetzlichen Anforderungen und den besagten Aspekten des Denkmalschutzes. Auch mehrere seitens der vorhandenen Bausubstanz bereitgehaltene "Überraschungen" sorgten für notwendige Anpassungen in Sachen Bau- und Gebäudetechnik. Dies betraf die Außenfassade ebenso wie das Interieur mit den Bodenbelägen sowie den Innenwand- und Deckenverkleidungen. So kann man letztendlich festhalten, dass die historische Hattersheimer Stadthalle umfangreich grundsaniert worden ist.
Neues Audiosystem
Die in den Jahren der Sanierung immer weiter gewachsenen Aufgaben führten letztendlich auch zu umfangreicheren Verbesserungen im Vergleich zum ursprünglichen Zustand der Halle.
Die Lamellendecken aus Holz und die grünen Wandverkleidungen wurden originalgetreu neu gebaut, der massive Holzboden umfangreich saniert und denkmalgerecht aufgearbeitet. In diesem Zuge wurde auch der Brandschaden auf der Bühne beseitigt.
Die Innenwände wurden unter Berücksichtigung von Schallschutz, Akustik und Brandschutz ertüchtigt. Apropos Akustik: Am vergangenen Freitag konnte unter anderem auch Karin Herwegh vom Cochlear Implant Verband Hessen / Rhein-Main e.V. (CIV HRM) die sanierte Stadthalle mit ihrem neuen Audiosystem zur Unterstützung von Menschen mit beeinträchtigtem Hörvermögen begutachten. Die neue Technik in der Halle kann mit Hörgeräten und vergleichbaren Hilfsmitteln gekoppelt werden. "Viele Stadthallen oder Kirchen haben so etwas nicht", berichtete Karin Herwegh, "ich kenne das leider nur aus Bayern - da haben alle Kirchen diese Geräte eingebaut." Sie engagiert sich deshalb dafür, dass eine derartige Ausstattung auch in Hessen zum Standard wird.
Das System in der Stadthalle verfügt über einen festen Sender mit mehreren Kanälen, die von mobilen Geräten mit Kopfhörer empfangen werden können. Beispielsweise wären so auch Simultanübersetzungen von Präsentationen und Vorträgen oder Filmvorführungen in mehreren Sprachen gleichzeitig möglich.
Zeitgemäße Technik
Die Stadthalle zeigt sich heuer auch mit generalüberholten „inneren“ Werten: So sind zeitgemäße technische Elemente verbaut worden, um den energetischen, ökologischen, brandschutztechnischen und betrieblichen Anforderungen für die zukünftige Nutzung der Halle gerecht werden zu können.
Die Elektrotechnik, Sanitärinstallation und -objekte, die Sicherheitstechnik und die Gebäudeleittechnik wurden erneuert, eine neue LED-Lichttechnik installiert. Der Aufwand war immens: Etwa 23.000 Meter Datenleitungen, 44.000 Meter Stromkabel und über 800 LED-Leuchtmittel wurden neu eingebaut.
Auch die Heiztechnik wurde von Grund auf modernisiert. Kaskadierte Brennwertkessel wurden zusammen mit einer Abluft-Wärmerückgewinnung eingebaut. Besonderen Wert legte man auf die Einbindung von Gebäudeautomations- und Leittechnik; dies optimiert das energetische Einsparpotential in Hinblick auf die Berücksichtigung des Nutzerverhaltens erheblich. Moderne Sensoren steuern die Raumtemperatur. Die akute personelle Auslastung der Halle wird automatisch ermittelt, die Wärmezufuhr passt sich der Personenanzahl entsprechend von alleine an.
Damit bietet die Versammlungsstätte am Karl-Eckel-Weg heutzutage nicht nur einen verbesserten Brandschutz; das denkmalgeschützte Gebäude ist durch die sanierten Dach-, Glas- und Fassadenflächen und effiziente und modernisierte Gebäudetechnik und -elektrik auf dem aktuellen Stand der Technik.
„Auch wenn im Laufe der Bauzeit Unvorhergesehenes, Änderungen im Baurecht, Lieferschwierigkeiten aufgrund der Corona-Pandemie und viele weitere Umstände uns vor große Herausforderungen gestellt haben, so dürfen wir dennoch mit Recht stolz auf die Ertüchtigung unserer Stadthalle sein. Berücksichtigt man alle umgesetzten und notwendigen Maßnahmen, so kommt die Stadthalle fast einem Neubau gleich“, zeigt sich Bürgermeister Klaus Schindling zufrieden.
Staffelholzübergabe beimInklusionsbeirat
Auch Bernd Seel, der scheidende Vorsitzende des Inklusionsbeirates der Stadt Hattersheim am Main, sowie dessen Nachfolgerin Tanja Klemm wohnten am vergangenen Freitag dem Rundgang durch die fast abschließend sanierte Stadthalle bei. Bürgermeister Klaus Schindling bedankte sich bei dieser Gelegenheit seitens der Verwaltung und persönlich dafür, dass Bernd Seel mit viel Herzblut jahrelang die Geschicke des Gremiums gelenkt hat. Dabei befand er sich stets im konstruktiven Dialog und hat immer den Finger in die Wunde gelegt, so dass letztendlich viele inklusionsrelevante Dinge für Menschen mit Beeinträchtigungen im Stadtbild umgesetzt wurden.
Und natürlich freue man sich seitens der Verwaltung nun auf eine "gute, harmonische und zielführende Zusammenarbeit" mit Tanja Klemm, einer "sehr engagierten Dame in unserer Stadtgesellschaft", die seit zwei Jahren auch beruflich für den Evangelischen Verein für Innere Mission in Nassau (EVIM) tätig ist, so Bürgermeister Schindling anerkennend.
Letzte Schritte
Die nächsten großen Schritte, die auf die nun stattfindende Inbetriebnahme der Publikumsbereiche der Halle folgen, sind auch bereits absehbar: Zunächst wird in Abstimmung mit dem neuen Gastronomen der Ausbau bzw. die Modernisierung der alten Gastronomie durchgeführt. Hierzu ist man derzeit intensiv in den Details der Ausführungsplanungen, um durch Einsatz effizienter Technik einen nachhaltigen gastronomischen Betrieb zu sichern.
Parallel zum festen gastronomischen Betrieb in der "guten Stube" wird zusätzlich ein professioneller Cateringservice gesucht, der eine feste Station in der Stadthalle haben soll. Hier zubereitete Gerichte für große Events sollen dann sowohl direkt vor Ort serviert, aber gegebenenfalls auch zu einem anderen, externen Veranstaltungsort gebracht werden können.
Die zweite große Maßnahme wird die Ertüchtigung der prägnanten, ebenfalls denkmalgeschützten Außenanlagen- und Terrassenflächen sein, mit neuer Brunnentechnik und einer gesteuerten Wasserberegnung, die auch noch in diesem Jahr erfolgen soll. Zentral soll aber vor allem die Erlebbarkeit des Gebäudes und die Eingliederung des gesamten Ensembles ins das nun gewachsene und gewandelte städtebauliche Umfeld im Mittelpunkt stehen. Und natürlich werden auch diese Schritte allesamt unter Einbezug der Landesdenkmalpflege vollzogen.
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