Schaffung von mehr bezahlbarem Wohnraum abgelehnt

Stadtverordnete votieren mehrheitlich gegen SPD-Antrag / CDU verweist auf Hattersheimer Spitzenplatz in der Region

Im Vorfeld der jüngsten Stadtverordnetenversammlung am 20. Juli richtete die Hattersheimer SPD-Fraktion einen kleinen Fragenkatalog an den Magistrat. Es ging dabei um den "Bestand an Sozialwohnungen", denn die Sozialdemokraten nehmen den hiesigen Wohnungsmarkt als "angespannt" wahr: "Bezahlbarer Wohnraum ist in der Stadt kaum noch zu finden. Dem Bestand an Sozialwohnungen kommt daher eine immer wichtigere Rolle zu, damit auch Menschen mit geringem Einkommen in Hattersheim eine Wohnung finden können", heißt es in der Einleitung der Anfrage, die vom Magistrat auch zeitnah beantwortet wurde.

So informierte sich die SPD über den "Bestand an öffentlich geförderten Mietwohnungen mit Belegungs- und Mietbindung gemäß Hessischem Wohnraumfördergesetz in Hattersheim zum Stichtag 1. Januar 2023. Der Magistrat bezifferte daraufhin den Bestand an öffentlich geförderten wohnungen mit 516. Seit dem 1. Januar 2018 seien 42 öffentlich geförderte Mietwohnungen aus der Belegungs- und Mietpreisbindung herausgefallen, so der Magistrat weiter.

Die Frage der SPD nach Plänen zur Neuschaffung von öffentlich geförderten Mietwohnungen mit Belegungs- und Mietbindung in den kommenden fünf Jahren wurde mit der Feststellung beantwortet, dass der Bestand an öffentlich gefördertem Wohnraum in den kommenden fünf Jahren erhalten werden soll. Eine Ausweitung des Angebots ist also nicht angedacht. Zum Stichtag 1. Januar 2028 sollen voraussichtlich 536 Mietwohnungen mit Belegungs- und Mietpreisbindung verfügbar sein.

Und schließlich erkundigten sich die Sozialdemokraten noch nach Maßnahmen, die der Magistrat unternimmt, um den Bestand an gefördertem Wohnraum in Hattersheim zu erhöhen. Der Magistrat hierzu: "Die Mittel aus der Fehlbelegungsabgabe sollen weiterhin für den Erwerb von Belegungsrechten von freifinanzierten Wohnungen der Hattersheimer Wohnungsbau GmbH verwendet werden. Der Gesamtbestand wird insgesamt nicht weiter erhöht."

Forderung nach mehr gefördertem Wohnraum

Aus der Anfrage der SPD heraus entstand schließlich ein Antrag, demzufolge der Bestand an öffentlich geförderten Wohnungen in Hattersheim erhöht und bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden solle. Als der entsprechende Tagesordnungspunkt bei der Stadtverordnetenversammlung am 20. Juli aufgerufen wurde, ergriff zunächst der SPD-Vorsitzende Selim Balcioglu das Wort und wies darauf hin, dass Hattersheim über sieben Neubaugebiete verfüge, an einer Einwohnerzahl von 30.000 kratze und in den letzten 20 Jahren um fast 20 Prozent gewachsen sei. Angesichts dieser Entwicklung solle man doch eigentlich davon ausgehen können, dass analog zum Bevölkerungswachstum auch die Zahl der "Wohnungen mit Mietpreis- und Belegungsbindungen" um 20 Prozent hätte wachsen müssen, insbesondere angesichts der steigenden Mietpreise. Hier stelle man jedoch fest, dass "die Lebensrealität unserer Menschen in Hattersheim eine andere ist als das Wunschdenken dieser Koalition beziehungsweise des Bürgermeisters", so Balcioglu kämpferisch.

Und dann startete eine Zahlenjonglage, welche die gesamte weitere Diskussion prägen sollte. So habe Balcioglu zufolge die SPD vor vier Jahren auf eine damalige Anfrage hin die Auskunft erhalten, dass seinerzeit der Bestand an Wohnungen mit Mietpreis- und Belegungsbindung 629 betrug. Damals wurde zudem prognostiziert, dass in den kommenden zehn Jahren 100 dieser Wohnungen aus dem Bestand fallen sollen. Nun sei infolge der jüngsten Anfrage der SPD nur noch von aktuell 516 Wohnungen die Rede - demnach wären innerhalb von nur vier Jahren schon 113 Wohnungen weggefallen. "Aus diesem Grund haben wir als SPD-Fraktion die Pflicht für die Bürger entsprechend dem Bedarf der Bürger, entsprechend dem Wunsch der Bürger nach bezahlbarem Wohnraum diesen Antrag zu stellen, den wir auch immer wieder stellen", so der SPD-Vorsitzende.

Zusammenhang zwischen Wohnkosten und Fachkräftemangel

Nathalie Ferko, die Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, legte den Fokus auf bezahlbaren Wohnraum und verwies auf Alltagsszenarien, die wohl jeder kennen würde: Freunde oder Familienmitglieder suchen eine neue Wohnung oder ein neues Haus, vorzugsweise gerne in Hattersheim - und stellen dann fest, dass die Preise einfach zu hoch sind.

So gebe es beispielsweise bei der Polizeidirektion Main-Taunus eine hohe Personalfluktuation, dort würden stets "sehr, sehr viele junge Menschen" arbeiten, so Ferko. Die Ursache: In der Anfangszeit ihrer beruflichen Laufbahn könnte man sich eine kleine Single-Wohnung noch leisten - aber später, womöglich rund um die Gründung einer Familie, eine Wohnung mit drei bis fünf Zimmern oder gar ein Haus? Da sei finanziell oft nur realisierbar, wenn man in ländlichere Gegenden zieht, also weg aus Hattersheim.

Gleichzeitig habe man in Hattersheim natürlich einen hohen Bedarf an Fachpersonal im Bereich Erziehung, Pflege oder Polizei. Und deshalb müsse man sich Ferko zufolge fragen: "Wie schaffen wir es in unserer Stadt den Menschen zu ermöglichen auch hier Wohnraum zu finden?"

Zudem gebe es auch viele ältere Menschen, die sich gerne verkleinern würden, womöglich nach dem Verlust des Partners oder dem Auszug der Kinder. Diese können sich aber eine kleinere Wohnung häufig nicht mehr leisten, weil die teilweise teurer sei als ihre große Drei- oder Vierzimmerwohnung, in der sie schon seit Jahrzehnten leben, so Ferko. Und hier müsse man gemeinsam versuchen Lösungen zu finden. Zwar sei dies angesichts der Tatsache, dass es sich beim Main-Taunus-Kreis um den kleinsten Flächenkreis handelt, nicht unbedingt einfach. Aber dann müsse man eben genau abwägen: "Was baut man jetzt? Wie baut man? Baut man Einfamilienhäuser? Baut man Mehrfamilienhäuser? Baut man hochstöckig?" Hier müsse man einfach flexibler sein, fordert Ferko. "Damit der Wohnraum, der vorhanden ist, besser genutzt wird und auch bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden kann."

Quadratmeterpreise unter dem Durchschnitt

Der CDU-Fraktionsvorsitzende Michael Minnert stellte hingegen fest, dass Hattersheim im Main-Taunus-Kreis und in der Region ohnehin schon "Spitze" sei in Hinblick auf bezahlbaren Wohnraum. Keine andere Kommune im Kreis könne diesbezüglich bessere Zahlen vorweisen.

Bürgermeister Klaus Schindling verweis auf die Hattersheimer Wohnungsbaugesellschaft (Hawobau), die es sich zur Aufgabe gemacht habe, zu versuchen in Hattersheim Wohnraum zu schaffen. Eine neue Wohnung an der Ölmühle vermietet die Hawobau beispielsweise für einen Quadratmeterpreis von 12,50 Euro. Dies liege, wenn man sich den mittleren Preis in diesem Gebiet anschaue, zwei bis drei Euro unter dem ansonsten dort üblichen Durchschnittspreis, sowie bis zu 15 Prozent unter dem durchschnittlichen Mietpreis in einem Neubau, so Schindling.

Zudem hätten er und Hawobau-Geschäftsführer Holger Kazzer immer sehr viel Wert darauf gelegt, dass die Neubauten, die man den hier lebenden Menschen zur Verfügung stelle, "nicht in die Klischeekiste gepackt werden können", sprich: Man solle nicht erkennen können, dass es sich hierbei um "günstigen Wohnraum" handelt. Statt dessen habe man die Wohnungen, die man günstiger anbietet, mit dem gleichen Komfortstandard hergestellt wie alle anderen auch. Man will vermeiden, dass Menschen mit geringem Einkommen Wohnungen beziehen, die von aussen und von innen ausstrahlen: Hier wohnen Menschen, die weniger Geld haben.

Zudem zähle Hattersheim seit ein paar Jahren nicht mehr zu den Städten, denen ein angespannter Wohnungsmarkt attestiert wird. Das gehöre auch zur hiesigen Realität, und das heisst freilich nicht, dass jeder, der eine Wohnung sucht, auch eine findet, sondern dass "bei uns sehr viel getan wird", dass man über eine große Infrastruktur verfüge und über eine Wohnungsbaugesellschaft, deren Intention auch früher unter der rot-grünen Regierung stets mitgestaltet wurde, so der Bürgermeister.

Zu den im Vorfeld kolpotierten Zahlen hatte Schindling ein klares Urteil parat: "Die Zahlen sind falsch." Die Hattersheimer Wohnungsbaugesellschaft verzeichnet im Zeitraum von 2019 bis heute einen Rückgang von öffentlich gefördertem Wohnraum - also nicht nur von bezahlbarem Wohnraum - in Höhe von fünf Prozent, und nicht von "irgendwelchen hundert Wohnungen." Schindling witterte hier, dass "Sachen vermischt wurden" und bezahlbarer und öffentlich geförderter Wohnraum "durcheinander geschmissen" wurden.

Zahlenwirrwarr aufgelöst

Eine konkrete Einordnung der gehandelten Zahlen - oder besser: eine erhellende Aufklärung über selbige - lieferte schließlich die Erste Stadträtin Heike Seibert. So wurde 2019 nach §88 des II. Wohnungsbaugesetzes geförderten Wohnungen gefragt, dies waren 629 Stück. Bei den jetzt angefragten 516 Wohnungen ging es jedoch ausschließlich um die Mietpreis- und Belegungsbindung gemäß dem Hessischen Wohnraumförderungsgesetz. Eine direkte Vergleichbarkeit der beiden Zahlen war also nie gegeben.

Nehme man aktuell wieder - wie 2019 - §88 des II. Wohnungsbaugesetzes als Grundlage, so betrage die Anzahl der derart geförderten Wohnungen in Hattersheim aktuell 628. Seit 2019 sei demnach nur eine solche Wohnung weggefallen, stellte Seibert abschließend klar.

Der Antrag wurde schließlich mehrheitlich vom Stadtparlament abgelehnt, lediglich die Stadtverordneten von SPD und Bündnis 90/Die Grünen stimmten dafür, während CDU, FDP und Freie Wähler mit "nein" votierten.

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