Gewerbevereinsvorsitzender Reinhard Herden freute sich offensichtlich sehr über den Veranstaltungsort. „Das finde ich sehr spannend, Weiterbildungsveranstaltungen bei unseren Mitgliedern zu machen, es ist eine tolle Sache“, erklärte er in seiner kurzen Ansprache vor Beginn des Seminars mit dem Titel „Moderne Zeiten, moderne Manieren – Auftreten, Outfit, Umgangsformen heute“. Als Referentin zu diesem durchaus aktuellen Thema hatte der Gewerbeverein die Autorin des Buches „Etikette für Ingenieure“, Birgit Wolf, eingeladen, die seit vielen Jahren in Einzelcoachings, Vorträgen und Workshops zu den Themen „Auftreten, Erscheinungsbild, Umgangsformen“ Fach- und Führungskräfte aus der Wirtschaft, Berufseinsteiger sowie Privatpersonen berät. „Ich will ihnen hier nicht erklären, wie man stilvoll Austern schlürft oder wie man sich bei einer Einladung beim Bundespräsidenten verhält, sondern ich möchte ihnen Ratschläge für ein 'manierliches' Alltagsleben geben. Gute Umgangsformen machen souveräner und gelassener, sie lassen Menschen sympathischer erscheinen“, erklärte Birgit Wolf den Zweck ihres Vortrages zu Beginn und machte im Folgenden deutlich, warum das so ist.
„Zuerst überzeugt immer die Person, dann erst der 'Inhalt' – der 'erste Eindruck' entsteht in den ersten sieben Sekunden einer Begegnung – und er ist durchaus entscheidend“, führte Birgit Wolf den Zuhörenden vor Augen. Untersuchungen hätten gezeigt, dass beim Entstehen des „ersten Eindrucks“ das Auftreten einer Person 55 % ausmachen, der Tonfall 38% und der „Inhalt“ dessen, was er eigentlich will, lediglich 7 %. „Und der erste Eindruck bleibt im Kopf hängen“, versicherte Birgit Wolf. Daher sei es durchaus auch heute noch sehr sinnvoll, sich –zumindest in der Geschäftswelt – auch an der alten Volksweisheit „Kleider machen Leute“ zu orientieren. „Jeder hat in bestimmten Situationen eine gewisse Erwartungshaltung in Bezug auf Kleidung – wird die Erwartung erfüllt, tritt die Kleidung in den Hintergrund, man widmet sich sofort den geschäftlichen Themen. Entspricht die Kleidung aber nicht der Erwartung, können leichter Zweifel aufkommen, die der geschäftlichen Entwicklung schaden können. Dann gewinnt die Kleidung mehr Bedeutung, als ihr eigentlich zukommen sollte“, erklärte Birgit Wolf den Effekt gut gewählter Kleidung.
Als allseits bekanntes Beispiel führte sie Bundeskanzlerin Angela Merkel auf, in Bezug auf deren Person anfangs sehr viel über Frisur und Kleidung gesprochen wurde, und die manchmal deswegen sogar nicht wirklich ernst genommen wurde. „Heute hat die Bundeskanzlerin einen 'Dresscode', der keine Diskussionen mehr zulässt und eine Frisur, die keine Witze mehr zulässt – nun wird sich endlich auf die Person konzentriert!“ Dass es sich lohnt, in Kleidungsfragen auch auf Kleinigkeiten zu achten, führte Birgit Wolf den Zuhörern mit einem Foto der löchrigen Socken eines hohen amerikanischen Diplomaten vor Augen – es war entstanden bei einem Staatsbesuch in der Türkei, zu dessen Programm für den Amerikaner auch ein Moschee-Besuch gehörte. Steckten die ganz offenbar sehr alten Socken sonst ja in den gut geputzten Schuhen, so mussten sie bei dieser Gelegenheit kurz „ans Licht“ und offenbarten peinliche Löcher an beiden großen Fußzehen – was natürlich ab diesem Zeitpunkt dann das „große Thema“ des ansonsten gelungenen diplomatischen Auftrittes wurde.
Wie sehr Farben einen gelungenen Auftritt beeinflussen können, führte Birgit Wolf in einer praktischen Demonstration mit einer Mitarbeiterin des Autohauses Flebbe vor. In der Tat wirkten unterschiedliche Farben bei beiden Frauen sehr verschieden, ließ zum Beispiel Silber die dunkelhaarige frisch und „korrekt“ aussehen, entstand bei der eher braunhaarigen Dame ein fast kranker, mitgenommener Eindruck. Umgekehrt wirkte Gold bei der braunhaarigen harmonisch und sympathisch, während die dunkelhaarige damit nicht wirklich „geschmückt“ aussah. „Sicher ist man heute manchmal abgelenkt von Modefarben, aber oft ist das Bauchgefühl richtig“, machte Birgit Wolf nicht nur den anwesenden Damen sondern auch den Herren Mut, sich öfter für ihre „Lieblingsfarbe“ zu entscheiden. „Das Wort 'locker' in Bezug auf Umgangsformen mag ich nicht, denn auch in heutiger Zeit ist trotz einiger Anpassungen nicht alles erlaubt“, begann Birgit Wolf ihren Exkurs zum Thema „Benehmen und Manieren“, „besonders im Geschäftsleben gilt etwa noch immer eine recht strenge Hierarchie.“ Diese sollte man schon bei der Begrüßung beachten: Geschlecht, Alter und Position des zu begrüßenden spielen dabei eine festgelegte Rolle. Für wichtig hält Birgit Wolf auch unbedingt Blickkontakt bei Gesprächen zu halten und Distanzzonen zu beachten. Problematisch seien dabei etwa Sonnenbrillen, die man auch bei sommerlichen Gesprächen nur dann aufbehalten sollte, wenn es wirklich notwendig ist. Auch mit der modernen „Küsschen-Begrüßung“, mit der man ja in die intime Distanzzone eines Gegenüber eindringt, sollte man eher sparsam sein, im Geschäftsleben sollte das Signal dazu immer von der Dame ausgehen. „Eine Vorstellung mit Vor- und Zunamen baut gleich zu Beginn einer Bekanntschaft Barrieren ab“, riet Birgit Wolf den Mitgliedern des GVH, „und wenn sie ihren Gegenüber mit Namen ansprechen, wird das immer als sehr angenehm empfunden.“ Hat man einen Namen nicht gleich verstanden, ist es nicht falsch, noch einmal nachzufragen, im Gegenteil, es wird vom Gesprächspartner als ein Zeichen von Interesse empfunden. Bekommt man eine Visitenkarte überreicht, ist es sehr unhöflich, diese sofort unbesehen in die Tasche zu stecken – man sollte ihr (und damit dem Überreichenden) zumindest kurze Beachtung schenken.
Anders als beim privaten Kennenlernen auf einer Party, sollte man im Geschäftsleben nicht zu spontan seinem Gegenüber das „Du“ anbieten. „Im Berufsleben mögen das die Deutschen gar nicht, wenn sie pauschal geduzt werden, mit der formellen Anrede ist man aber immer auf der sicheren Seite“, führte Birgit Wolf aus. Will man jemanden doch schließlich das „Du“ anbieten, sollten dies unter vier Augen geschehen und der „richtige Zeitpunkt“ sollte mit Fingerspitzengefühl ausgewählt sein.
Auch dem „Small Talk“ widmete Birgit Wolf ihre Aufmerksamkeit. „Small Talk hat wichtige Funktionen, er hilft eine gemeinsame Wellenlänge zu finden und mit ihm werden wichtige Gespräche ein- oder auch „aus“-geleitet“ erklärte Birgit Wolf, „wichtig ist dabei, dass man immer Augenkontakt hält, eine offene Grundeinstellung hat und Interesse für den anderen zeigt.“ Dabei sollte man verstehen, dass „Small Talk“ keine „Einbahnstraße“, sondern immer ein „Ping-Pong-Spiel“ sein sollte, also eine Mischung aus interessiertem Zuhören und eigenen Gesprächsbeiträgen. Polarisierende Themen wie etwa Finanzen, Politik, Rassenfragen, persönliche Schicksalsschläge oder schwere Krankheiten sollten beim „Small Talk“ tabu sein, statt dessen lässt es sich tatsächlich sehr gut und unverfänglich über das Wetter oder viele kulturelle Themen reden. Birgit Wolf empfahl den Seminar-Teilnehmern, sich auf den „Small-Talk danach“ mit einem wichtigen Geschäftspartner genauso vorzubereiten, wie auf das eigentliche Geschäftsgespräch, um beim Geschäftspartner auch „hinterher“ einen guten Eindruck zu machen und in guter Erinnerung zu bleiben.
Auch zur „modernen Kommunikation“ via Email oder Mobil-Telefon hatte Birgit Wolf Ratschläge für ihre Zuhörer. So gelten –zumindest im geschäftlichen Bereich – für Emails die gleichen Regeln wie für den guten alten Brief: Man sollte auf keinen Fall die Anrede vergessen, und man sollte Abkürzungen genauso vermeiden wie etwa Rechtschreibfehler. „Irgendwo ist in unserer Zeit der gewissenhafte Umgang mit dem Handy auf der Strecke geblieben“, bedauerte Birgit Wolf. Es sei äußerst unhöflich, etwa während eines geschäftlichen Gespräches das Handy zu checken. „Nicht umsonst gibt es inzwischen das geflügelte Wort: Bei Profis piept’s nicht“, erklärte die Benimm-Fachfrau, „nur wenn es sich nicht vermeiden lässt, sollte man während eines Gespräches Anrufe annehmen, dies aber erklären, den Raum dafür verlassen und auch möglichst schnell zurückkommen!“ Liegt bei einer Besprechung ein Mobiltelefon auf dem Tisch, signalisiere das dem Gesprächspartner: der andere ist nur teilweise anwesend, andere Dinge sind ihm wichtiger.
Auch einen kurzen „Ausflug“ zu Tischmanieren machte Birgit Wolf mit ihren Zuhörern in Hattersheim. Aber auch dabei ging es nicht darum, wie man etwa Hummer isst – die Benimm-Fachfrau ist der Ansicht, dass heute meist jeder das bestellen kann –und auch sollte – mit dem er auch wirklich umgehen kann. „Wer eben nicht mit Stäbchen essen kann, sollte sich keine bestellen“, riet sie schmunzelnd, „dann wird er sich auch nicht damit blamieren!“ Das eine Serviette nicht vor den Schlips oder in den Hosenbund gehört, sondern einfach auf den Schoß gelegt werden sollte, ist eine einfach zu befolgende Regel. Selbstverständlich sollte es auch sein, dass man das Servicepersonal nicht „ruppig“ behandelt – solches Benehmen im Umgang mit Menschen, die ihre Arbeit tun, lasse nämlich „tief blicken.“ Als Grundlage aller „Benimm-Regeln“ sieht Birgit Wolf den Respekt an, den man anderen Menschen in allen Lebenslagen immer entgegen bringen sollte. „Der respektvolle Umgang mit anderen Menschen ist die erste und beste Voraussetzung für guten Stil und gutes Benehmen“, schloss sie unter Beifall ihren gelungenen Vortrag.
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