Leserbrief Hattersheim vor 230 Jahren

"Heute den 10ten November 1792 hat phillip wollstadt 10 Canner Heu an die gemein verkauft den Canner zu 2 Gulden 10 Kreuzer xxx in Simmer – 21 Gulden 40 Kreuzer welches für an die frantzosen ist geliefert worden. Hattersheim den 10ten November 1792"

Franzosen in Hattersheim

So oder so ähnlich mag es geklungen haben, als in der Nacht vom 21. zum 22. Oktober 1792 – also genau von 230 Jahren – 500 französische Soldaten durch Hattersheim nach Frankfurt zogen. Am 22. Oktober 1792 folgten weitere 2.500 Soldaten, ebenfalls Richtung Frankfurt. Was war geschehen?

Nach der Kanonade von Valmy am 20. September 1792 zogen sich die preußisch-hessischen Verbände aus der Champagne zurück. Die Gunst der Stunde nutzte der französische General Adam-Philippe de Custine, die Reichsgrenze von Landau kommend mit 19.000 Soldaten zu überschreiten und entlang der sogenannten „Pfaffenstraße“ die Städte Speyer, Worms und Mainz einzunehmen. Nach der Kapitulation von Mainz am 21. Oktober 1792 erreichten die Truppen Custines am frühen Morgen des kommenden Tages die Reichsstadt Frankfurt.

Für Hattersheim, eine Gemeinde mit etwas mehr als 500 Einwohnern, begann eine leidvolle Zeit: Einquartierungen, Verpflegung von Soldaten und Pferden. Der Gemeindevorstand mit dem damaligen Schultheiß/Bürgermeister Anthes an der Spitze war angehalten, bei den örtlichen Bauern für die Bereitstellung der erforderlichen „Fourage“ an die französischen Truppen zu sorgen: Hafer, Heu, Stroh mussten zenterweise geliefert werden; ebenso wollten durchreisende Offiziere verköstigt werden. Selbst General Custine hielt sich wohl in Hattersheim auf, hat doch ein Leonhard Phillipps für den 26. Oktober 1792 eine Kostenrechnung beim Bürgermeister „Für 11 Pferde des Generals Custine per 2 Mittag, und 2 Nächte 33 Rationen Fourage,…“ eingereicht. Zahlreiche weitere Quittungsbelege sind in den „Urkunden zu der Kriegskostenrechnung der Kurfürstlich-Mainzischen Gemeinde Hattersheim pro 1792 et 1793“ enthalten.

Der „Aufenthalt“ der französischen Soldaten dauerte bis Anfang Dezember, als preußisch-hessische Truppen am 2. Dezember 1792 Frankfurt einnehmen konnten und die Franzosen Richtung Mainz zurückdrängten. Die Sorgen und Nöte der Hattersheimer hatten damit jedoch noch kein Ende: Jetzt waren die Befreier bis zur Kapitulation des von den Franzosen gehaltenen Mainz am 22. Juli 1793 zu verpflegen. Aufgrund der Zahlungen an die örtlichen Bauern für ihre Lieferungen ab Herbst 1792 und ebenso im darauffolgenden Jahr war Hattersheim so klamm, dass beim Oberamt Höchst ein Betrag von 1.000 Gulden aufgenommen werden musste, „…wegen den dringenden Ausgaben bei gegenwärtigen Kriegszeiten aus Abgang Ihres gemeinen Kassenvorrats…“, soll bedeuten, die Gemeindekasse war leer!

Übrigens, General Custine starb am 28. August 1793 wegen angeblichen „Verrats an den Interessen Frankreichs“ unter der Guillotine.

Interessant dürften auch Meldungen in dieser Zeit aus dem kirchlichen Bereich sein, weist 1791 doch das Erzbischöfliche Generalvikariat in Mainz daraufhin, dass sich „Französische Comissaris“ hier aufhalten sollten mit dem Vorhaben, „die öffentliche Ruhe störende Grundsätze“ zu verbreiten; entsprechende Vorkommnisse sind der Zivilgemeinde zu melden und natürlich unverzüglich dem Erzbischöflichen Generalvikariat, allerdings „in der Stille“.

Nach der Kapitulation von Mainz 1792 verlassen verschiedene geistliche Würdenträger die Stadt und kommen zum Teil im Hattersheimer Pfarrhaus unter („bleiben die erste Nacht allhier im Pfarrhaus über Nacht“); auch Hofheim bietet Unterkunft.

Hermann-Josef Lenerz

Hattersheim am Main

Weitere Artikelbilder:

Noch keine Bewertungen vorhanden


X