Zum bereits 13. Mal und nach einer dreijährigen Pandemie-Pause fand am vergangenen Sonntagvormittag endlich wieder der traditionelle Neujahrsempfang der Vereinigung Krifteler Selbständiger (VKS) im Rat- und Bürgerhaus statt. Der zentrale Programmpunkt war hierbei die Wahl eines neuen "Botschafters oder einer Botschafterin von Kriftel" aus dem Kreise der hiesigen Unternehmen und Selbstständigen.
Bereits vor vier Jahren wurde der Brennerei Holger & Ralf Henrich diese Ehre zuteil. Damals war das Ergebnis einer Umfrage während der Gewerbeschau KriftelAktiv 2018 wahlentscheidend. Diesmal sollte es anders laufen: Unabhängig von der Größenordnung sollte allen Unternehmen eine Chance auf Augenhöhe geboten werden. Maßgeblich sollte ein möglichst großer Einsatz in Sachen Innovation, Kreativität, Nachhaltigkeit oder Gemeinwohl sein.
Selbstständige, die sich von dieser Maßgabe selbst angesprochen fühlten, konnten Bewerbungen bei der VKS einreichen, und Krifteler Bürgerinnen und Bürger, denen aus diesem Blickwinkel betrachtet ein Krifteler Unternehmen in besonders hohem Maße aufgefallen war, konnten dieses nominieren.
Zunächst begrüßte Björn Hellmich, Erster Vorsitzender der VKS, das Publikum im gut gefüllten Rat- und Bürgerhaus, darunter auch Staatsminister Axel Wintermeyer. Im Gegensatz zu vorherigen Auflagen des Neujahrsempfangs blieben diesmal jedoch auch ein paar vereinzelte Plätze leer - man merkte auch hier, dass in der Phase der langsam ausklingenden Corona-Pandemie das Publikum noch nicht wieder mit voller Kraft zu den Veranstaltungen strömt.
Wettschulden sind Ehrenschulden
Eine zum letzten VKS-Neujahrsempfang 2020 eingeführte "Reform" holte die Vereinigung nun auch noch ein: Die Saalwette. Die VKS wettete vor drei Jahren, dass sie es schaffen würde, Vertreter von mindestens 50 Mitgliedsbetrieben zum damaligen Neujahrsempfang begrüßen zu dürfen. Wettgegner war die Gemeinde Kriftel, und der Verlierer verpflichtete sich dazu, im Laufe des Jahres an einem sonnigen Tag ein kleines Grillfest zu veranstalten, dessen Verkaufserlös an einen guten Zweck gehen soll. Es kamen letztendlich "nur" Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von 47 VKS-Betrieben - das Wettziel wurde also denkbar knapp verfehlt.
Die Pandemie machte der Bedingung "im Laufe des Jahres" einen derben Strich durch die Rechnung, aber nun war endlich die Zeit zur Einlösung der Wettschulden gekommen: Vor dem Rat- und Bürgerhaus wurde ein Pavillon aufgebaut, und fleißige Helferinnen und Helfer sorgten dafür, dass es pünktlich zum Ende des offiziellen Teils des Programms Bratwürste für alle gab.
Anekdoten aus der Pandemiezeit
Renate Brand, Beisitzerin im Vorstand der VKS und freiberuflich als Systemischer Managementcoach und Mentalcoach in Kriftel tätig, übernahm nach der Begrüßung die Moderation der Veranstaltung und bat zunächst vier Krifteler Selbstständige auf die Bühne, die allesamt Anekdoten über Irrungen und Wirrungen während der Corona-Pandemie parat hatten.
Holger Henrich von der Brennerei Holger & Ralf Henrich konnte von der kuriosen Situation für seinen Betrieb berichten, als nach Pandemiebeginn plötzlich das Desinfektionsmittel knapp wurde. Einem Erlass der Bundesregierung folgend füllte man in der Brennerei dann kurzerhand Zehn-Liter-Kanister mit neutralem Alkohol ab und bot diesen Apotheken von Kriftel bis Flörsheim an, damit dort Desinfektionsmittel angerührt werden konnte.
Man kam freilich auch auf die Idee, einfach selbst Desinfektionsmittel in der Brennerei herzustellen - doch da standen bürokratische Hürden im Weg: Man braucht eine spezielle Bescheinigung, um Desinfektionsmittel herstellen zu dürfen. Henrich konnte aber dennoch ein Happy End vermelden: Mit Hilfe des Landrats gelang es, eine Firma ausfindig zu machen, die über die nötige Lizenz und Technik verfügte, jedoch nicht über das Material zur Herstellung von Desinfektionsmittel. Dieses konnte die Brennerei dann liefern, und dank dieser Kooperation konnten dann doch noch Schulen im Umkreis beliefert werden.
Auch Christina List konnte über kuriose Entwicklungen rund um ihren Friseursalon aus den letzten drei Jahren berichten. Während der Pandemie waren Friseurbesuche ein seltener Luxus, und so kam es, dass die Kundschaft nicht, wie sonst üblich, im Turnus von vier bis sechs Wochen und mit entsprechend nur geringfügig nachgewachsenem Haar bei ihr aufschlug, sondern zuweilen erst nach vielen Wochen und Monaten mit erheblich längerer Haarpracht. Und selbst wenn man sich dann trotzdem noch erfolgreich wiedererkannt hat, war es mit dem routinemäßigen Nachschneiden nicht immer so schnell getan.
Häufig hatten auch die Lebenspartner "Talente entdeckt", so List schmunzelnd, und übernahmen das Kürzen des Haupthaares aus der Not heraus zwischenzeitlich in die eigene Hand - nicht immer mit ansehnlichen Folgen. Wer sich am Langhaarschneider versucht, sollte beispielsweise besser nicht den Aufsatz vergessen...
Sudir Anand vom Marken Outlet Kriftel verbrachte die Hochphase der Pandemie in zwei verschiedenen Welten: Die in seinem Ladengeschäft untergebrachte Postfiliale durfte weiter normal betrieben werden, da sie zur kritischen Infrastruktur zählte - Bekleidungsgeschäfte durften jedoch nicht für den Kundenverkehr öffnen. Also wurde der Bereich des Ladens, der nicht dem Postbetrieb diente, komplett abgesperrt.
Dennoch äußerten viele Kundinnen und Kunden den Wunsch zum Erwerb neuer Klamotten, und Anand merkte auch, dass die Menschen sein Geschäft in dieser Krisenzeit unterstützen wollten. Also wurde das "Window Shopping" auf die Spitze getrieben: Getrennt durch Schaufensterscheiben verständigte man sich, und am Ende konnte dann die Kundschaft online bezahlen und Tüten mit den eingekauften Waren vor der Tür in Empfang nehmen. Und auch eine Online-Modenschau auf Facebook erwies sich als voller Erfolg.
Physiotherapeutin Steffi Knies berichtete von einer ungewöhnlichen Häufung bestimmter Krankheitsbilder während der Pandemie. Plötzlich klagten sehr viele Patienten über Herzrhythmusstörungen, Atemwegserkrankungen, Schwindel und Erschöpfungszustände. Home-Office fand oft an nicht ergonomisch optimierten Arbeitsplätzen statt, Home-Schooling führte zu physischen und psychischen Überlastungszuständen.
Neuer Botschafter von Kriftel
Nach einer kurzen Rede von Bürgermeister Christian Seitz, der betonte, dass jede Krise auch Chancen in sich trägt, wurden die Nominierten für die anstehende Wahl zum neuen Botschafter von Kriftel auf die Bühne gebeten: Daniel Pulvermüller von HP Velotechnik, Bernhard Westenberger vom ShowSpielhaus, Torsten Klippel von der Nikolai Optik Werkstatt, Detlef Braun vom Spiel-Punkt Kriftel, Frank Bechstein von der Frank Bechstein Baumpflege GmbH und Antje Mertig von Kriftel Spaces - Coworking Space.
Die Wahl fiel schließlich, unter einem Regen von blauen und weißen Luftballons, auf Bernhard Westenberger vom ShowSpielhaus, der diese Wahl natürlich mit einem Strahlen im Gesicht gerne annahm. "Das erfüllt mich jetzt gerade wirklich mit Stolz", zeigte sich Westenberger glücklich und dankbar, und in Hinblick auf seinen Mit-Geschäftsführer Hans-Jürgen Mock und den großen Apfel-Pokal aus Holz fügte er noch mit einem Augenzwinkern an: "Ich werde es dem Hans-Jürgen, der ja aus Hofheim kommt, schonend beibringen, dass das jetzt ab sofort in unserem Foyer stehen wird."
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