Wo sind die schlabbrigen Jogginghosen? Wer hat eure Hoodies versteckt? Diese Fragen stellten sich so manche Lehrkräfte beim Anblick der Verwandlung, die ihre Schülerinnen und Schüler am Freitag, den 27. Juni, durchlaufen hatten. Statt des gewohnten Alltagslooks präsentierten sich die Jugendlichen in eleganter Abendgarderobe: Die jungen Frauen trugen fast durchweg vom Catwalk inspirierte Outfits und setzten mit fließenden Kleidern in Pastelltönen sommerlich-festliche Akzente. Die meisten jungen Männer erschienen selbstbewusst in schwarzen Anzügen – wie wandelnde Ausrufezeichen ihrer eigenen Entwicklung. Und tatsächlich lag ein langer Weg hinter ihnen: Seit der fünften Klasse waren die 175 Schülerinnen und Schüler Teil der Weingartenschule. Nun hielten sie ihr Abschlusszeugnis in den Händen. Bereit zum Aufbruch, neue Wege einzuschlagen.
Gemischte Gefühle
In naher Zukunft öffnet sich für viele eine neue Tür – ein neuer Lebensabschnitt steht bevor. Doch bevor der Blick ganz nach vorn geht, ist es an der Zeit zurückzuschauen: Was war los an der WGS? Vor der zur Festhalle umgestalteten Sporthalle steht ein fröhliches Quartett junger Frauen in eleganten Abendkleidern. Auf die Frage nach ihren Erinnerungen an die Schulzeit sprudeln die Antworten: Sie loben das vielfältige Angebot an Aktivitäten, den Fremdsprachenunterricht. Eine von ihnen sagt verschmitzt: „Ich mochte besonders die Pausen – wegen des Zusammenhalts und der Zusammenarbeit.“
Auch ihre Pläne spiegeln die Vielfalt der Abschlussschülerinnen und -schüler wider: Zwei wollen eine Ausbildung beginnen, eine strebt das Abitur an, eine wechselt an die Realschule. Alle fühlen sich gut vorbereitet auf das, was kommt. Rabia aus der G10c bringt die Stimmung auf den Punkt: „Ein Auge lacht, ein Auge weint.“ Vier Jungs in dunklen Anzügen, sagen selbstbewusst und entspannt: „Wir gehen unseren Weg. Erst einmal steht das Abitur auf dem Plan.“ Noch bevor die Zeugnisse überreicht werden, sieht man hier und da Väter, die ihren Söhnen die Krawatte zurechtrücken. Mütter, die die Kleider ihrer Töchter glattstreichen. „Was für ein Drama, bis das perfekte Outfit stand“, seufzt eine Mutter glücklich.
Das Miteinander zählt
Am Eingang zur festlich geschmückten Halle steht Asya aus der G8c – gemeinsam mit vier weiteren Helferinnen überprüft sie die Tickets auf den Handys der Ankommenden. „Nur wer zur Schule gehört, darf rein“, sagt sie bestimmt.
Was sie an der WGS besonders schätzt? „Ich habe ja noch zwei Jahre vor mir“, meint sie, „ich mag die Vielfalt der Schüler und unseren Zusammenhalt.“
Drinnen stehen viele Eltern relaxt an der Bar. „Die Nachfrage nach Sekt ist ziemlich hoch“, berichtet Pia hinter dem Tresen. Die Stimmung sei gelöst, alle gut gelaunt. Sie und ihre Mitstreiterinnen freuen sich, Teil der Feier zu sein. Sie haben sich freiwillig für den Barbetrieb gemeldet. „Wenn das kein Statement für unsere Schule ist?!“
Noch bevor die Zeugnisse überreicht werden, sieht man hier und da Väter, die ihren Söhnen die Krawatte zurechtrücken. Mütter, die die Kleider ihrer Töchter glattstreichen. „Was für ein Drama, bis das perfekte Outfit stand …“, seufzt eine Mutter glücklich.
Gute Leistungen
Für ihr Styling bekämen heute eigentlich alle ein gutes Zeugnis ausgestellt, meinte Schuleiter Dr. Christoph Richter. Aber auch die schulischen Leistungen könnten durchaus mithalten: Von den 40 Hauptschülern und –schülerinnen erhielten 28 den qualifizierten Hauptschulabschluss. Die besten in diesem Zweig waren Murtaza Habib Abawi (H9a) sowie Aya El Jazouli (H9b, beide Durchschnitt: 1,7).
Von den insgesamt 79 Realschülern erhielten 53 die Eignung für die Fachoberschule und 45 zusätzlich die Eignung für den Besuch einer gymnasialen Oberstufe. Hier glänzten Sarina Müller, Luca Weise und Ege Kaan Özelbistanli (alle R10a, Durchschnitt: 1,1), Salvatore Loggia (R10b,1,3) und Nils Schimpf (R10c,1,8)
Von den 64 Schülern aus dem Gymnasialzweig hatten sich Anna Lenhard (G10a, Durchschnitt: 1,0) Nele Katzmann (G10b, 1,2) und Davina Sattler (G10c,1,4) die besten Zeugnisse erarbeitet.
Eroberungen, Engagement und Ehrungen
Mit einem Augenzwinkern begrüßte Direktor Dr. Christoph Richter seine Schülerinnen und Schüler: „Schön, dass ihr weg seid.“ Und fügte dann ernsthafter hinzu: „Ihr habt es geschafft – meinen herzlichen Glückwunsch!“ Mit dem Abschluss finde nun auch eine Zeit voller rätselhafter Schlussfolgerungen, kurioser Ausreden und ebenso rätselhafter Fragen ein würdiges Ende – zumindest innerhalb seiner Schule, bemerkte er schmunzelnd. Richter würdigte zudem den Mut der Eltern, selbst die kryptischsten Kunstwerke ihrer Kinder stets mit Lob zu bedenken – „auch wenn sie vermutlich wenig damit anfangen konnten“, wie er lachend anmerkte. Er spreche da aus eigener Erfahrung, schließlich habe er selbst Kinder an der Weingartenschule. Seine Botschaft an alle: „Erobert euren nächsten Lebensabschnitt!“
Den Weg an das Rednerpult in seine ehemalige Schule hatte auch Kriftels Bürgermeister Christian Seitz gefunden. „Schön, wie ihr euch für diesen Moment herausgeputzt habt“, lobte er die Jugendlichen. Es sei schon etwas Einzigartiges, sein Abschlusszeugnis in den Händen zu halten. Das wäre ihm bei der 50-Jahrfeier der WGS erst neulich wieder klar geworden. Mit diesem Abschluss stünden viele Wege offen. Auch für eine bessere Gesellschaft. Deswegen richte er auch eine persönliche Bitte an das junge Auditorium: „Engagiert euch!“, rief der Bürgermeister in die Runde. „Ohne euch passiert nichts“. Passenderweise bekamen in der Schülervertretung (SV) engagierte Schülerinnen und Schüler eigenhändig eine Urkunde und ein Geschenk der Gemeinde überreicht.
Lebhaft und trendy
Im Anschluss hielten die Klassenlehrkräfte ihre Reden – kurz, pointiert und gewürzt mit Anekdoten und kleinen Possen aus der gemeinsamen Schulzeit. Deutschlehrerin Jana Such brachte die manchmal verzögerte Reaktionsfreude ihrer Klasse augenzwinkernd mit einem Goethe-Zitat auf den Punkt: „Ihr müsst es nicht verstehen, ihr müsst erfühlen.“
Mira van’t Hoofd beschrieb ihre Klasse als lebhaft und trendy – doch in ihrer Rede erinnerte sie sich auch an einen ganz anderen Moment, der sie tief berührte: Als die Holocaust-Überlebende Eva Szepesi in der Aula von ihrem Schicksal als verfolgte Jüdin berichtete, sei es plötzlich ganz still geworden in der R10a. „Ein bewegender Moment“, sagte sie – ein Augenblick, der gezeigt habe, wie viel Empathie in den Jugendlichen stecke.
Manche würden sicher das Vertraute auf dem Schulhof vermissen – die gewohnte Ecke, die bekannten Gesichter, kleine Trostspender im Alltag. Doch so wehmütig die Stimmung an diesem Abend auch manchmal war – mit Glanz, Glamour und Gloria gehe „das Lebbe weider“. Nicht aufgeben sei die Devise.
"Mamma Mia!“ – da konnte man nur einstimmen mit der großartig aufspielenden Schulband. Elternbeiratsvorsitzende Melanie Hirt dankte der Schulleitung, den Lehrkräften und vor allem den Eltern, die sich gemeinsam mit ihren Kindern durch die Herausforderungen der Corona-Zeit gekämpft hätten: „tapfer und ausdauernd“. Den Jugendlichen gab sie noch einen Rat mit auf den Weg: „Wenn Plan A nicht klappt – das Alphabet hat noch 25 weitere Buchstaben.“
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