Getanzt wird wie zu jungen Zeiten

120 Besucher aus Bischofsheim und Umgebung feierten die traditionelle Kaiserkirwa

Mit dem Einzug der Trachtenpaare und der Begrüßung durch Vüärstäiha Helmut Schöniger beginnt eine jede Bischofsheimer böhmische Kaiserkirwa.
(Fotos: Engert)

BISCHOFSHEIM (es/me) – Unglaubliche 70 Jahre sind vergangen, seit die Bischemer Egerländer 1946 als Heimatvertriebene mit je 50 Kilo ihrer Habseligkeiten in Viehwaggons im Gebiet der bis dato unbekannten Mainspitze ankamen. Es galt, eine zweite Heimat, falls möglich, zu finden. 

Den „Kindern von der Eger“, wie es in einem vielbesungenen Lied heißt, waren rheinische Frohnaturen bisher eher fremd, denn alle Vorfahren hatten österreichische Wurzeln, bewohnten im Kaiserreich das Kronland Böhmen. Fazit nach so langer Zeit: Man arrangierte sich, in jeder Beziehung.

Ein Glück für unzählige Heimatvertriebene ist die Gründung der Eghalanda Gmoin. In Bischofsheim war das 1952 der Fall. Aber sieben Jahrzehnte zehren, trotz vielfältiger Bemühungen. Eine Kinder-, Jugend-, Theater-, Tanz-, Trachten- und Singgruppe erfreuten über Jahrzehnte, doch der Zahn der Zeit war nicht untätig. Geblieben sind nur der gute Zusammenhalt, diverse Veranstaltungen, die farbenprächtige Frauentracht und die Mundart. All das soll gehegt und gepflegt werden, nicht nur durch das Ausrichten von „Hutzanachmittagen“ und der alljährlichen „Kaiserkirwa“, denn sie geht zurück ins 17. Jahrhundert.

Der älteste Sohn von Kaiserin Maria Theresia verfügte damals per Dekret, was nie zurückgenommen wurde: dass jegliche Kirwa-Feierei an nur einem Wochenende im Oktober stattzufinden habe. So wird es auch noch im 21. Jahrhundert gehalten: Vüärstäiha Helmut Schöniger lud für den 15. Oktober ins Bischofsheimer Bürgerhaus ein, zu Tanz, Unterhaltung und zehn flotten Musikanten der Blaskapelle „BöhMäranka“, und wirklich kamen Besucher von nah und fern, die rund ums Bürgerhaus auf Parkplatzsuche herumirrten. Der Saal selbst war mit Städtewappen von daheim festlich geschmückt, lange Tischreihen mit Nüssen und herbstlichem Laub nett dekoriert.

Um 18 Uhr schmetterte die Kapelle den Egerländer Marsch, die Fahne trug V. Müller, ihm folgten 18 Trachtler. Der Vüärstäiha freute sich sehr, 120 Besucher begrüßen zu können, darunter als Ehrengäste Bischofsheims Bürgermeisterin Ulrike Steinbach mit Begleiter, ebenso die Vorsitzende der Gemeindevertretung, Sabine Bächle-Scholz, und den Vereinsringvorsitzenden Christian Weinerth mit Familie. Die Damen bekamen einen Blumenstrauß.

Die Nachbargmoi Kelsterbach war durch Vüarstäihere Kasper und V. Fenkl mit einer Trachtenabordnung vertreten, ebenso der Gebirgstrachtenverein „Almarausch“ Rüsselsheim, sowie viele Freunde von SL (Sudetendeutsche Landsmannschaft) und BdV (Bund der Vertriebenen) Groß-Gerau. Ihnen allen galt ein herzlicher Willkommensgruß!

Doch vorher hieß es für den Vüarstäiha, Jubilare für langjährige Gmoimitgliedschaft zu ehren:
25 Jahre sind dabei Vetter Otto Schleicher und Mouhm Luise. Ihnen wurden Ansteck-Ehrennadeln, Urkunden, etwas FIüssiges und Blumen überreicht mit herzlichem „Dankfei (nschä)n“!
 Aus diversen Gründen nicht teilnehmen konnten an der Ehrung die Mouhmen Gertrud Fürtsch, sie ist 40 Jahre Gmoimitglied, ebenso wie Irmgard Weber. Marie Stotz dagegen ist schon 60 Jahre dabei, genau wie Mouhm Erna Dörfl. Sie alle wird der Besuch daheim auch freuen!

Weil die Musikanten schon unruhig mit den Hufen scharrten, kamen nun andere Melodien bzw. Musikstücke dran, bekannt und beliebt seit Jahrzehnten, beliebt auch zum Mitsingen. „Egerland-Heimatland“, „Aus Böhmen kommt die Musik“, „Hinter den Böhmischen Bergen“, natürlich waren der „Brouda Liederle“ dabei und der „Roußbuttnbou(b)“ und die wichtige Frage „Ei Moiderl, wou hast denn Dei‘Liegerstatt“? 

Leider kam jegliche Unterhaltung etwas zu kurz durch zu laute Musik, dafür tanzten viele echt begeistert, flott und unentwegt. Dem echten Mehlwürmertopf merkte man kaum an, dass da Senioren schwoften.

Während die Restauration der Ratsstube den Abend über mit Getränken und kleinen Speisen aufwartete, startete gegen 21 Uhr der Verkauf der traditionellen „Kirwaköichla", doch hatte der Vorstand wieder zu wenig geordert, sie gingen weg wie die warmen Semmeln – owa goot war´n se!

Viel Freude bereitete der „Pausenfüller-Auftritt“ der BdV-Musikgesangsgruppe Biebesheim-Dornheim. Unter Leitung von Karin Liedtke und Rudi Mohr lieferten zehn Sängerinnen und Sänger gemeinsam altes Egerländer Liedgut, unterstützt von zwei Akkordeons, einem großen, alten Leierkasten und einer kaum mehr bekannten Schweinsgeige. Sie sangen sozusagen „Egerländer Liedgut auf Vorrat“, denn gegen 22 Uhr rüsteten die ersten, auswärtigen Gäste zur Heimfahrt und waren froh, einmal mehr im Kreis Gleichgesinnter einen echten Eghalanda Kirwatanz erlebt zu haben, dem noch viele folgen mögen.

Ein heimatliches „Vergelt‘s Gott“ gilt allen, die zum Erfolg unserer Kaiserkirwa beigetragen haben. Ein fast rührender Abschluss des Abends war jedoch ein Trompetensolo durch einen echten Könner aus der Musikergruppe. Sein Spiel erfolgte bei unglaublicher Stille in der Saalmitte auf einem Tisch stehend. Der Applaus war dementsprechend. 

Auf zur nächsten Kirwa 2017, wenn die Gmoi z‘Bischofsheim – so Gott will – ihr 65-jähriges Bestehen feiern wird.

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