Ein intensives Erlebnis in düsterer Atmosphäre

Rammstein-Tributeband „Völkerball“ füllte das Bürgerhaus und bewies höchste Kopierkompetenz

 

BISCHOFSHEIM (gus) – Es ist eigentlich eher ein Spiel für Grundschüler, wenn auch kriegerischen Ursprungs. Seit der Livetour der Rockgruppe „Rammstein“ im Jahr 2005, die 2006 unter dem Titel „Völkerball“ auf DVD und CD erschien, befassen sich aber auch die harten Jungs und Mädchen wieder ausgesprochen gerne mit diesem Wort.
Auch eine Gruppe junger Musiker aus der Mittelrheinregion war schwer beeindruckt von dem, was Rammsteins „Völkerball“ an Musik und Show bot. So fasziniert, dass sie seit 2007 regelmäßig ihre eigene Identität ablegen, sich als böse Jungs verkleiden, vorsätzlich schmutzig machen und dann auf der Bühne stundenlang so tun, als seien sie Till Lindemann und Co. Als, zugegeben, erstaunlich gute Kopie der Megastars.

 

Völkerball beballerte das Publikum im gut gefüllten Bürgerhaus mit einer Licht- und Effekteshow, wie es die Verhältnisse in der guten Stube der Gemeinde eben zulassen. Gerne setzt „Völkerball“ auch Pyrotechnik ein, ganz wie Rammstein, aber das war in Bischofsheim natürlich nicht drin.
Der Lindemann-Imitator der Band, Sänger René Anlauff, sonst eher als Produzent mit eigenem Tonstudio in der Branche bekannt, ist mit seinen 39 Jahren das mit Abstand älteste Mitglied des ansonsten noch sehr jungen Sextetts. Im Bischofsheimer Bürgerhaus absolvierte „Völkerball“ seinen 101. Auftritt und durfte die Jubiläumstorte von HoTi-Macher Holger Schneider bewundern, die die Band auf Marzipan gedruckt zeigt. Auf der Bühne hatten weiche Süßigkeiten freilich nichts verloren.
Die Vorbilder von Rammstein, hat man den Eindruck beim Betrachten der jüngeren Videos der Originale, entfernen sich allmählich von dem dunklen, schweren, martialischen Gebärden und geben sich zunehmend farbenfroh und ironisch. Völkerball ist da den Ursprüngen stärker verhaftet. Es dröhnt und donnert martialisch, Drummer Dirk Oechsle riskiert auf seinem drei Meter erhöhten Arbeitsplatz scheinbar sein Leben, während die Gitarrenjungs (Tobias Kaiser, Marco Vetter) am linken und rechten Rand der Bühne einen auf bewegungsreduzierten Roboter machen.
Politisch korrekt ist bei Völkerball wie bei den frühen Rammstein gar nichts. Gewaltphantasien bestimmen in Texten und Gesten das Repertoire, selten hing der Bierdunst so kräftig in der Bürgerhausluft. Aber die Künstler auf der Bühne und ihr Publikum eint, dass das alles nur Gehabe für zweieinhalb Stunden ist: In Wirklichkeit sind es alles ganz liebe Menschen, die zu feiern verstehen, was Amnesty International auf den Plan rufen müsste. Besonders, wenn Anlauff bei der letzte Zugabe sich einen Fan auf die Bühne holt, ihn als angeleinten Wauwau herumkriechen lässt und zu „Bück Dich!“dann sodomistische Rammbewegungen an ihm vorführt. Das muss man auch nach 23 Uhr nicht sehen. Doch das Publikum jubelt, das Opfer ist stolz auf seine Rolle – wie gesagt, alles ganz liebe Kerle, betont auch Holger Schneider.
Völkerball schafft eine Atmosphäre und bietet eine Show, die einnimmt. Es ist ein prägendes, echtes Ereignis, das die Rammstein-Fangemeinde aus Bischofsheim mitnimmt, die Jungs verstehen ihr Handwerk als Musiker und Darsteller. Und als in der ersten Zugabe endlich der Rammstein-Hit „Engel“ erklingt, gibt es ein wenig natürliches Licht auf der Bühne, als „Engel“ Sonja Schneider im weißen Kleidchen die Bühne betritt.
Die Frage muss man sich schon stellen, warum sich eine offenbar von Begabung gesegnete Band ihre Erfüllung darin sehe sollte, so zu tun als ob sie andere wären. Die Antwort gibt Völkerball nach drei Jahren Rammstein-Lehrlingszeit in Kürze, denn tatsächlich erscheint jetzt mit einiger Verzögerung das Album „Weichen und Zunder“, das eigene Stücke präsentiert. Die orientieren sich natürlich stark am Rammstein-Sound, stammen aber eben aus der eigenen Feder. „Gammelfleisch“ spielte Völkerball in Bischofsheim, zum Stück „Radioaktiv“ gibt es bereits eine Videoproduktion, die so professionell wirkt, dass die Rammstein-Mitglieder, denen die Völkerball-Jungs übrigens noch niemals begegnet sind, sich nun auch noch ihrer visuellen Identität beraubt fühlen dürfen.
Es wird allerdings, steht zu vermuten, keinen Weg für die Band geben, mit eigenständigen Stücken mehr Erfolg einzuheimsen als durch das getreue Covern einer Band, die nun einmal eine Menge euphorischer Fans hat. Die bekommen ihre international gefragten Stars viel zu selten live zu sehen und sind daher dankbar für die Chance, wenigstens eine 99-Prozent-Version der Idole zu erleben – und das auch noch für nur einen Bruchteil der Kosten für die Eintrittskarten.

 

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