Längeres gemeinsames Lernen als Schlüssel

GALB widmete Neujahrsempfang der nachwachsenden Generation – und bot Kinderbetreuung

 

BISCHOFSHEIM (gus) – Die Grünen entdecken zunehmend die Familienpolitik als wichtigen Aufgabenbereich. Die Bischofsheimer Fraktion der GALB widmete ihren Neujahrsempfang im Palazzo in diesem Jahr der „kinderfreundlichen Kommune“. Neben Redebeiträgen und einer Diskussion über den Umgang mit den Defiziten bei den Betreuungsangeboten bot die Fraktion dabei konsequenterweise auch eine Kinderbetreuung im Nebenraum an.
 

 

Auch der ehemalige Rüsselsheimer Bürgermeister und grüne Oberbürgermeisterkandidat Jo Dreiseitel ist in dem Themenkomplex zuhause und war damit der perfekte Hauptredner für den Neujahrsempfang. Er bezeichnete es als Fehler, dass die Themen Kinder und Familie im politischen Alltag immer noch unter „ferner liefen“ abgehandelt würden. Der demographische Wandel mache die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu einer immer dringenderen Frage. Ebenso steige gerade im einem rohstoffarmen Land wie Deutschland damit die Bedeutung der Bildung weiter an.
Nach dem Höchststand im Jahr 1964 habe sich die Anzahl der Geburten auf 663.000 im Jahr 2011 halbiert, ein so schnell nicht umkehrbarer Trend. Für die Grünen muss das Konsequenzen für den Bildungsbereich haben, um möglichst allen Schülern zu einer erfolgreichen Schullaufbahn zu verhelfen.
„Das längere gemeinsame Lernen ist ein effektiver Weg und bringt eine höhere Chancengleichheit für den Zugang zu höheren Bildungsabschlüssen“, betonte Dreiseitel. Die Grünen vertreten seit langem die Position, dass die Trennung der Schüler ab der 5. Klasse, wie sie im klassischen Schulsystem vorgesehen ist, aufgehoben werden muss.
Rüsselsheim habe es geschafft, auch ohne Unterstützung durch das Land den Ausbau der Kinderbetreuungsangebote voran zu bringen, betonte Dreiseitel. Zu geringe Ausbildungskapazitäten seien dafür verantwortlich, dass hessenweit 3000 bis 4000 Erzieherstellen nicht besetzt werden können. „Nur in Kasachstan und Malta werden die Erzieher so lange wie in Deutschland und am Ende ohne akademischen Abschluss ausgebildet“, sieht er Defizite in der grundlegenden Struktur der Ausbildung, die zudem in einen viel zu schlecht bezahlten Beruf führe.
Inzwischen klagten einige Kommunen gegen das Land wegen der fehlenden finanziellen Unterstützung beim Ausbau der rechtlich garantierten U3-Betreuung. Selbst der eigene, von vielen Seiten anerkannte hessische Bildungs- und Erziehungsplan werde nicht genügend finanziell ausgestattet, damit er in den Kommunen und Einrichtungen umgesetzt werden könne. Die Grundschülerbetreuung und die Inklusion spielten im neuen hessischen Schulgesetz gar keine Rolle, kritisierte Dreiseitel.
Daran muss man erst einmal denken: Selbst der Flughafenausbau wirkt sich negativ auf die Bildungspolitik in Hessen aus, erläuterte der Rüsselsheimer. In seiner Stadt müssten für die anstehende Erweiterung der Betreuung drei bis vier neue Kitas gebaut werden, „das Geld dafür steht auch im Haushalt“. Doch durch den Ausbau sei nun auch das Regierungspräsidium im Spiel. „Wir müssen es uns nun erst vom RP genehmigen lassen, im eignen Gebiet zu bauen“, erklärte Dreiseitel. In Frankfurt-Sachsenhausen sei schon ein geplanter Kitaneubau wegen des Fluglärms im Stadtteil nicht genehmigt worden. „Der Flughafenausbau macht somit eine wohnortnahe Betreuung der Kinder unmöglich.“
Aber wie gehen die Grünen auf der politischen Bühne gerade mit solchen Erkenntnissen um? Für die Bürgerinitiative Mainspitze (BIMS), die den Kampf gegen den Flughafenausbau und seine Folgen für Bischofsheim und Ginsheim-Gustavsburg hauptsächlich führte und führt, ist die Partei als einzige politische Kraft, die stets den Ausbau bekämpfte, eine Art natürlicher Verbündeter. Doch die Grünen geben sich da inzwischen viel zu bieder, kritisierte BIMS-Sprecher Heiko Holefleisch. „Man muss den Grünen abverlangen, dass sie rigoroser formulieren, dass sie endlich Tacheles reden über den Kollaps, der uns droht.“ Bei den Bischofsheimer Grünen sprach Holefleisch gar von einer zwischenzeitlichen „Beziehungskrise“, denn „ihr habt uns nie so ganz unterstützt“. Da durfte GALB-Fraktionschef Wolfgang Bleith froh sein, ein Neujahrsthema gewählt zu haben, das nur am Rande diesen Dreh zuließ.
Aber auch bei der Kinderbetreuung vor Ort gibt es Redebedarf. Den formulierte die Vorsitzende der Elterninitiative „Kindergruppe Eulenspiegel“, Andrea Besant. Eltern mit zweijährigen Kindern wüssten in Bischofsheim oft wenige Wochen vor dem dritten Geburtstag des Nachwuchses noch nicht, ob und in welcher Einrichtung sie ihr Kind unterbringen können, wenn der Rechtsanspruch entstehe. „Da bekomme ich viel Unmut mit“, sagte sie.
Auch in Bischofsheim muss die Gemeinde darum kämpfen, überhaupt genügend Erzieher an Land zu ziehen. Wolfgang Bleith stellte klar, dass solche Vorgänge bei den Ortspolitikern nicht immer so direkt ankommen könnten wie bei den Vereinen und Initiativen. „Wir bekommen nichts mit, wenn wir nicht drauf angesprochen werden“, bat er um verstärkte Rückmeldungen.
Bleith stellte den Redebeiträgen einen kurzen Rückblick auf 2012 voran, in dem er den maroden Eisernen Steg und die Zukunft des Bürgerhauses als die bestimmenden Themen des vergangenen Jahres in Bischofsheim bezeichnete. Die Baumfällaktion am Bahnhof und der Tod von Dieter Ortmann ließen das Jahr aus GALB-Sicht besonders negativ ausklingen.
Viel Positives erwarten die Grünen derzeit von den Wahlen. Durch die anstehenden Urnengänge in diesem Jahr – am 22. September wählen die Deutschen einen neuen Bundestag, vermutlich im November die Hessen dann auch einen neuen Landtag – nutzte die Fraktion auch die Gelegenheit zur Präsentation der Kandidaten. Dreiseitel ist der Landtagskandidat im Wahlkreis und bekam über das Leitthema des Tages die Gelegenheit sich zu präsentieren.
Der Bundestagskandidat der Grünen heißt Benjamin Weiß und stellte sich ebenfalls in einem Redebeitrag den rund 50 Zuhörern vor. Weiß ist Vorsitzender der Grünen Jugend Hessen. Der Gustavsburger beschäftigt sich allerdings weniger mit dem Bereich der Kinder- oder Jugendförderung. Mit seinen Themenfeldern bildet er eher das Konkurrenzprogramm zur Piratenpartei. 
Politologe Weiß definiert die Breitbandanbindung als ein „Recht der Bürger“. Das deutsche Urheberrecht müsse zudem auf die Netzkriterien hin überprüft werden. Die Pressevielfalt sieht er in der Bundesrepublik durch die jüngsten Entwicklungen bedroht, sie müsse aber erhalten bleiben. „Lasst uns die Republik grüner machen“, forderte der Kandidat auf, ihn und die Partei bei den Zielen zu unterstützen.

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