Für die Nachtruhe auf die Straße gehen

BIMS und Gemeinde luden zum Infoabend zum Thema „Fluglärm in Gustavsburg“ ins Bürgerhaus

 

GUSTAVSBURG (ast) – „Mir hat niemand gesagt, dass es so schlimm wird“, war an diesem Abend immer wieder zu hören. Die „Bürgerinitiative Mainspitze gegen den Flughafenausbau“ (BIMS) und die Gemeinde Ginsheim-Gustavsburg hatten am vergangenen Dienstag zur Informationsveranstaltung in das Gustavsburger Bürgerhaus eingeladen. Rund 500 lärmgeplagte Anwohner kamen.
„Am 22. Oktober bin ich aufgewacht, bis dahin habe ich gut geschlafen“, schilderte Heiko Holefleisch, Neuzugang bei der BIMS, wie es ihm und anderen ergeht, seit die neue Landebahn am Frankfurter Flughafen eröffnet wurde. Seitdem treiben ihn starke Fluchtgedanken um, obwohl er erst vor fünf Jahren ein Haus in Gustavsburg gekauft hat.
Einziger Trost für ihn: „Wir sind viele und werden täglich mehr.“ Holefleisch stellt fest, dass die Protestbewegung gegen den Flughafenausbau und seine Folgen jetzt viele Bürger erfasst hat. Moderator Oleg Cernavin, BIMS-Mitglied der ersten Stunde, machte darauf aufmerksam, dass mit der neuen Landebahn nicht nur die jetzigen rund 480 000 Flugbewegungen pro Jahr möglich sind, sondern maximal sogar 900 000 Flüge auf die Region zukommen können.
Bürgermeister Richard von Neumann (SPD) wehrte sich in seiner Rede gegen die Anschuldigung – vor allem von Gustavsburgern – dass die Gemeinde nichts gegen den seit 1998 geplanten Bau der neuen Nordwest-Landebahn getan habe. Nachdem die Gemeindevertreter mehrheitlich im Mai 2000 beschlossen hatten gegen den Flughafenausbau vorzugehen, sei eine halbe Millionen Euro für Gutachten und die juristische Vertretung investiert worden, betonte er.
Mit dem Zusammenschluss von mehr als 20 anderen Städten und Kommunen zu „Zukunft Rhein-Main“ stemmt sich Ginsheim-Gustavsburg seit Jahren gegen den Ausbau des Frankfurter Flughafens. In vielen Informationsveranstaltungen mit der Bürgerinitiative, Infoblättern in allen Briefkästen und andere Aktionen, mache die Gemeinde seit Jahren die Bürger darauf aufmerksam, was ihnen blüht wenn die neue Landebahn in Betrieb ist, betonte der Bürgermeister. „Jeder von uns war in den ersten Tagen wie im Schockzustand“, stellte von Neumann jetzt fest, dass auch seine schlimmsten Erwartungen in Sachen Fluglärm übertroffen wurden. „Wir kämpfen nicht nur gegen ein Wirtschaftsunternehmen, sondern auch gegen die Hessische Landesregierung“, zeigte der Bürgermeister die Hauptproblematik auf.
Während der ehemalige hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) versprochen hatte: „Kein Ausbau ohne Nachtflugverbot“, klagt Hessen jetzt beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig gegen die beim Landesgericht Kassel von betroffenen Anliegergemeinden vorübergehend erstrittene Nachtruhe von 23 bis 5 Uhr. Die juristischen Mittel der Kommune seien bald erschöpft, machte von Neumann deutlich. „Jetzt ist es Zeit, dass die Bürger ihre Belange selbst in die Hand nehmen“, rief er zum friedlichen Protest aller auf.
Alexandra Fridrich, Fachanwältin für Verwaltungsrecht, vertritt Ginsheim-Gustavsburg, Bischofsheim und Rüsselsheim seit vielen Jahren gegen den Flughafenausbau und seine Folgen. Sie machte den Gustavsburgern wenig Hoffnung, dass sie jetzt von Fraport passive Schallschutzmaßnahmen in Form von Fenstern finanziert bekommen. Trotz der starken Zunahme des Fluglärms, fallen nur wenige Häuser in Gustavsburg in die sogenannte Nachtschutzzone mit einem gemittelten Lärmpegel von 50 dB(A). „Sie kriegen Schallschutz – aber erst in fünf Jahren“, verdeutlichte die Rechtsanwältin die Absurdität der Regelung.
Jetzt werde ihre Kanzlei dafür kämpfen, dass der Teilerfolg in Kassel, das sechsstündige Nachtflugverbot, vom Bundesverwaltungsgericht in Leipzig bestätigt wird. „Wir brauchen Unterstützung in Leipzig aus der Region“, forderte sie die Bürger auf für ihre Nachtruhe auf die Straße zu gehen.
Günter Lanz, versuchte zu vermitteln, was getan werde, um den Fluglärm zu reduzieren. Der Vertreter des „Umwelt- und Nachbarschaftshauses“, das nach Ende des Mediationsverfahren durch das Land Hessen gegründet wurde, hatte bei dieser Veranstaltung einen schweren Stand. Ob Erhöhung des Anflugwinkels, steilere Starts oder die Anhebung der sogenannten Westwindkomponente – Lanz musste zugeben: „Je näher Sie an die Landebahn herankommen, desto schwerer wird es etwas gegen den Lärm zu tun.“ Über Gustavsburg könne man vielleicht die landenden Flugzeuge 50 Meter höher fliegen lassen, stellte er vage in Aussicht.
Ihn traf dann auch die Wut der erzürnten Bürger. „Hier wird Leben und Umwelt vernichtet“ und „Raubritter aus dem Mittelalter“ waren noch milde Kommentare, die Lanz, stellvertretend für Land und Flughafenbetreiber, zu hören bekam. Ein Zusammenschluss, wie Stuttgart 21, wünsche man sich auch bei anderen Großprojekten, die den Menschen das Leben schwer machen, schlug ein Redner aus dem Publikum vor.
Auch die Befürchtung, die direkt überflogenen Tanklager in Gustavsburg könnten bei einem Flugzeugabsturz explodieren, wurde geäußert. Dieser Einwand der Gemeinde sei bei Gericht abgewiesen worden, informierte Otmar Weiler von der Gemeindeverwaltung. Wegziehen komme für ihn nicht in Frage, sagte ein junger Mann, der in Gustavsburg geboren ist. „Niemand kann sagen, ob wir siegen. Aber was haben wir für eine Alternative?“, rief BIMS-Vertreter Holefleisch die Bürger zum Handeln auf. Auch nach dem Bau der Landebahn könne für Lebensqualität gekämpft werden. Für ein Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr ohne Ausnahmen, sei es Wert sich einzusetzen.
Kein Bau des Terminals 3 und eine verbindliche Begrenzung der Flugbewegungen, dafür kämpft der Zusammenschluss der rund 60 Bürgerinitiativen. Auch die Forderung nach einer Stilllegung der neuen Nordwest-Landebahn müsse in den Fokus rücken, betonte Holefleisch abschließend.
 
Termine
Nächstes Treffen der BIMS ist am Dienstag (6.) um 19.30 Uhr im Gustavsburger Bürgerhaus. Immer montags um 18 Uhr findet im Terminal 1, Halle B, am Frankfurter Flughafen die sogenannte Montagsdemonstration statt.

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