Zu einer gefährdeten Art geworden

In Hessen wird einmal jährlich durch das Aussetzen von 50.000 Jungaalen der Nachwuchs der Weltenwanderer gefördert

Kinder durften die ersten Aale einsetzen: zunächst etwas Rheinwasser dazugeben, und dann ab in die Freiheit schicken.
(Fotos: Gössl)

 

GINSHEIM (ag) – Zahlreiche Zuschauer hatten sich am Samstagmorgen, 15. Juli, am Ginsheimer Altrheinufer am ehemaligen Kiesbagger eingefunden, um dem geplanten Aalbesatz beizuwohnen. Das Land Hessen setzte an diesem Tag 50.000 vorgestreckte Jungaale aus, verteilt auf 107 Kilometer des hessischen Rheinstroms und seiner Nebengewässer.

Bürgermeister Thies Puttnins-von Trotha begrüßte zu diesem besonderen Ereignis mit überregionaler Bedeutung viele Bürger und auch Lokalpolitiker aller Couleur, die es sich nicht nehmen lassen wollten, dem Treiben beizuwohnen. Besonderen Dank zollte der Bürgermeister dem Angelsportverein (ASV) Ginsheim, der sich ordentlich ins Zeug gelegt habe und dafür Sorge trug, dass der Aalbesatz in Ginsheim über die Bühne gehen konnte.

Regierungspräsidentin Brigitte Lindscheid erläuterte, dass das Land mit dem Besatz einer EU-Verordnung aus dem Jahr 2007 nachkomme, die fordere „die durch menschliche Einflüsse bedingte Sterblichkeitsrate beim Europäischen Aal soweit zu verringern, dass mindestens 40 Prozent der ehemals vorhandenen Biomasse an Blankaalen wieder das Meer erreicht“. Natürlich sei es der Mensch gewesen, der die einstmals großen Bestände an den Rand der Ausrottung getrieben habe, nicht zuletzt durch die Brandkatastrophe beim Chemieunternehmens Sandoz im Jahr 1986, als zusammen mit dem Löschwasser geschätzte 20 Tonnen Giftstoffe in den Rhein gespült wurden.

„Aalglatt, schlüpfrig wie ein Aal, sich winden wie ein Aal“: im Volksmund sei der Aal nicht so gut beleumundet, erläuterte Rainer Hennings, Referent für Naturschutz des Verbandes Hessischer Fischer. In seiner Rede verhalf er dem Fisch allerdings zur Rehabilitation. Der Aal mit seiner schlangenähnlichen Gestallt gebe der Wissenschaft nach wie vor noch einige Rätsel auf. Zwar wisse man heute, dass der Aal von seinen Süßwasserrefugien viele tausend Kilometer zu seinem Laichgebiet in der Sargasso-See, einem Seegebiet nördlich der Bahamas, schwimme. Das sei Streckenrekord unter den Wanderfischen, allerdings wisse man über die Paarung so gut wie nichts. Die Nachkommenschaft, die Jungaale, treiben durch die Meeresströmungen des Nordatlantiks über drei Jahre hinweg wieder zurück nach Europa, zunächst an die Küsten, wo sie als Glasaale ankommen und dann die Süßwasserflüsse wieder hinaufschwimmen.

Seit den 1990er-Jahren stehe der Aal auf der Roten Liste der gefährdeten Arten. Innerhalb von 40 Jahren sei der Aal vom sehr häufig vorkommenden Fisch zum Aussterbekandidaten geworden. Die Ursachen sieht Hennings unter anderem im Klimawandel, im Parasitenbefall, in der Überpopulation der Kormorane, in der Verbauung der Flüsse und in den Wasserkraftanlagen entlang der Flüsse. Die kommerzielle Fischerei auf Blankaale, die „in mafiaähnlichen Strukturen“ geschehe, prangerte er an.

Mit dem Neubesatz durch Glasaale, die schon an den Küsten gefangen und von Aquabetrieben wie der Fischzucht Hermann Rameil in Fritzlar jetzt an das Altrheinufer geliefert würden, gebe man dem Fisch wieder eine Chance zu überleben. 2016 fand der Besatz zum ersten Mal statt. Auch für 2018 werde die Maßnahme geplant, dann werde man auch die Bestandsdichte messen.

Insgesamt gebe es im Rhein mittlerweile wieder 50 verschiedene Fischarten, so Patrick Heinz, Mitarbeiter des Regierungspräsidiums in Darmstadt. Vor allem die Schwarzmundgrundel sei weit verbreitet, die allerdings keine heimische Art sei, sondern als „blinder Passagier“ in unsere Gewässer kam.

Als symbolischen Akt durften Kinder die ersten Aale am Steg der Kanuten in die Freiheit entlassen. Für das Gros der Aale ging es per Boot dann den Altrhein hoch in Richtung Steindamm und flussabwärts Richtung Mainz. 

Neben Ginsheim wurde der Aalbesatz an diesem Tag auch entlang des Rheins in Lampertheim, Biebesheim, am Kornsand und bis nach Schierstein vorgenommen.

 

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