Bürger verlieren ihr Domizil

Mit Verwunderung habe ich in der Presse die Begründung für den Abriss der Ratsstube beziehungsweise des Bürgerhauses gelesen. Ein Bürgerhaus ohne Restaurant? Welche Alternative gibt es für Vereine, private Gesellschaften, Jahrgänge oder Trauerfeiern mit mehr als 50 Personen? In welchen Restaurants gibt es Räumlichkeiten und Toiletten ebenerdig und mit dem Rollstuhl zugangsfrei erreichbar? Sollen Alte und Behinderte von Feierlichkeiten ausgeschlossen werden?

 

Jungen, engagierten Leuten soll der Ausbildungsplatz genommen werden! Eine Bewirtung mit frischen Lebensmitteln und Essen à la Carte mit Bedienung ist leider in den von der GALB vorgeschlagenen Alternativen nicht möglich. Als Begründung heißt es, die „Mehrheit“ könne die Defizite des Restaurants, die an der Gemeinde hängen bleiben, nicht mehr tragen. Wenn die Pächter der Ratsstube keinen oder zu wenig Gewinn erwirtschaften, dann liegt das doch auch daran, dass man die Bewirtschaftung des Bürgerhauses von der Ratsstube getrennt und damit dem Pächter einen Teil seiner Möglichkeiten Gewinn zu erwirtschaften, genommen hat.

 

Die Gemeinde sollte froh sein einen so potenten Pächter wie den AVM, bei dessen Vorläufer die Gemeinde Bischofsheim einst Gründungsmitglied war, für die Bewirtschaftung der Ratsstube gewonnen zu haben und ihm einen längerfristigen Pachtvertrag geben wie in unserer Nachbarstadt Rüsselsheim. Dort hat man dem Pächter der Stadthalle Rüsselsheim, mit angeschlossener Gaststätte, einen Pachtvertrag über 35 Jahre gegeben und ihn somit in die Lage versetzt, gezielt in den Betrieb zu investieren. Nun soll der AVM nach dem Willen dieser Mehrheit sein Domizil verlieren.
Aber auch wir Bürger verlieren unser Domizil. Wer ist denn diese Mehrheit, die so etwas will? Ist das die Mehrheit der Bischofsheimer Bürger? Oder sind diese Mehrheit nur ganz bestimmte Gemeindevertreter? Sind diese Mehrheit keine Bischofsheimer Bürger? Wo wohnen und leben sie denn? Sind sie kein Mitglied in Vereinen, Jahrgängen oder anderen Gruppierungen, die die Räumlichkeiten der Ratsstube für Feierlichkeiten benötigen?
Zum Bürgerhaus: Nachdem die ehemalige Sporthalle der Theoder-Heuss- und Mangold-Schule in den 50er-Jahren, gegen den Widerstand der CDU und FW, zu einem Bürgerhaus umgebaut wurde, war allen damaligen Gemeindevertretern klar, dass ein Bürgerhaus immer Folgekosten verursacht. Seien es nun Reparatur- oder Erhaltungskosten. Bei einem späteren Umbau wurden dem Bürgerhaus eine Restauration und ein Kindergarten angegliedert. All diese Maßnahmen kosteten Geld und Nerven.
Die damaligen Gemeindevertreter, zu denen ich über 27 Jahre gehörte, haben es sich nicht leicht gemacht, waren aber stolz eines der schönsten Bürgerhäuser mit Restauration im Kreis Groß-Gerau zu haben. Nun wird nach rund 60 Jahren über Abriss und Neubau eines Bürgerhauses diskutiert. Die Gemeinde hat kein Geld, im Gegenteil sie hat enorme Schulden. Trotzdem soll ein schönes, wenn auch schon etwas älteres Bürgerhaus mit Ratsstube abgerissen und ein neues – ohne Restaurant – gebaut werden. Mit welchem Geld? Nach diesem Vorbild müssten in Bischofsheim alle Häuser, die älter als 60 Jahre sind, abgerissen werden. Jeder Haus-Besitzer muss permanent reparieren und renovieren damit sein Anwesen erhalten bleibt. Warum wurde denn in den letzten 15 Jahren nichts mehr am Bürgerhaus repariert oder erneuert? Warum ist das Gebäude jetzt so marode, dass sich eine Reparatur nicht rechnen soll?
Dies fragen sich sicher viele Bürger. Eine Feuertreppe von der Empore nach außen, damit diese wieder genutzt werden kann, Prüfung und Reparatur der Ver- und Entsorgungsleitungen, Erneuerung der Entwässerung, Renovierung der Toilettenanlage und anderes muss vorgenommen werden. Diese Arbeiten können aber doch nicht so teuer sein, dass sich ein Neubau lohnt. Heute wird alles nur noch unter dem Kostenaspekt gesehen. Eine Gemeinde ist aber mehr als eine Schlafstatt oder eine kostenverursachende Gemeinschaft. Es scheint, dass der Spruch „Was Du ererbst von Deinen Vätern, bewahre und vermehre es“ leider seinen Sinn verloren hat.
Karl-Heinz Plahuta
Friedrichstraße 26, Bischofsheim
 
 
 
 
 

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