Durchaus erfolgreich und doch am Ende

Träger Marienhaus GmbH sieht keine Zukunft für ein Krankenhaus in Flörsheim / Ärztezentrum und Seniorenresidenz mit Chancen

Das Interesse an der Informationsveranstaltung war erwartungsgemäß groß, gut 100 Zuschauer hatten sich am 22. Mai im Foyer des Marienkrankenhauses eingefunden.
(Fotos: A. Noé)

 

FLÖRSHEIM (noe) – Der Träger des Marienkrankenhauses, die Marienhaus GmbH, hatte einen Tag nach der am 15. Mai öffentlich bekannt gegebenen Krankenhausschließung eine Informationsveranstaltung angekündigt, die am Montagabend, 22. Mai, im Foyer des Marienkrankenhauses stattfand.

Für die Marienhaus Unternehmensgruppe sprach in erster Linie Geschäftsführer Michael Osypka, zu den zahlreichen Gästen gehörten unter anderem der Ehrenbürger der Stadt Flörsheim und ehemalige langjährige Stadtverordnetenvorsteher Mathäus Lauck, Dr. Bernd Blisch (CDU), Peter Kluin (GALF), Franz Kroonstuiver (SPD) sowie die FDP-Vorsitzende Claudia Schütz und der FDP-Fraktionsvorsitzende Thorsten Press. Natürlich waren auch einige Ärzte und Krankenhausmitarbeiter aus verschiedenen Bereichen sowie ehemalige und aktuelle Patienten anwesend.

Mit der Veranstaltung wolle man für Informationen aus erster Hand sorgen und die Frage beantworten helfen, ob alle Ressourcen ausgeschöpft wurden, das Krankenhaus zu erhalten, eröffnete der Vorsitzende des vor nunmehr elf Jahren gegründeten Freundes- und Förderkreises Marienkrankenhaus Flörsheim e. V., Hans-Jürgen Wagner, den Abend. Außerdem sollten erste Ideen gesammelt werden, wie es mit dem Haus, von dessen Schließung auch der Förderkreis erst am 15. Mai erfahren habe, weitergehen kann.

„Orden hilft Orden“
Das bereits zum damaligen Zeitpunkt wiederholt kurz vor der Schließung stehende Marienkrankenhaus wurde im Jahre 2004 von der Marienhaus Unternehmensgruppe übernommen, zu der unter anderem 20 Krankenhäuser, 29 Alten- und Pflegeheime, fünf Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen und neun Hospize zählen. „Orden hilft Orden“, brachte Geschäftsführer Michael Osypka das Motiv der Marienhaus GmbH, die aus einer Gründung der Waldbreitbacher Franziskanerinnen hervorgegangen ist, auf den Punkt. Man habe dem hierzulande einzigen Krankenhaus der Dominikanerinnen unter dem Dach der Marienhaus Unternehmensgruppe eine Zukunft bieten wollen.

Über die Zukunft sei indes „schon längere Zeit nachgedacht“ worden, so Osypka. 2012 wurde die konservative Orthopädie, vor allem zur Therapie von Schmerzen im Rückenbereich, etabliert. Ein durchaus erfolgreiches Konzept, erklärte der Geschäftsführer, in den drei Folgejahren sei sogar ein leichter Gewinn erwirtschaftet worden. Seinerzeit habe sich gezeigt, dass auch kleine Krankenhäuser durchaus erfolgreich sein könnten. Dennoch sei das Marienkrankenhaus nun am Ende.

2015 hätten die Kostenträger – also die Krankenkassen – die gute Entwicklung jedoch zunichte gemacht, indem sie ein Urteil des Bundessozialgerichtshofes so interpretierten, dass auch Belegkrankenhäuser von Montag bis Freitag halbtags einen sogenannten Behandlungsleiter einzusetzen haben. Mit Hinweis auf diese fehlende Stelle, seien die an das Marienkrankenhaus gehenden Finanzmittel von den Krankenkassen drastisch gekürzt worden. Vor Gericht sei zwar der daraufhin klagenden Marienhaus GmbH bereits in erster Instanz im November 2015 recht gegeben worden, doch nun gehe der Rechtsstreit auf Betreiben der Krankenkassen vor dem Bundessozialgericht weiter. Außerdem sei der Medizinische Dienst der Krankenkassen beauftragt worden, die Notwendigkeit eines Belegkrankenhauses in Flörsheim zu prüfen.

2016 schließlich trat das Krankenhausstrukturgesetz, sozusagen die Frucht des, so Osypka, „erklärten bundespolitischen Willens, die Zahl der Krankenhäuser deutschlandweit zu reduzieren“, in Kraft; die durch das Gesetz gestalteten Rahmenbedingungen machten gerade den kleinen Krankenhäusern das (wirtschaftliche) Leben schwer, reine Belegkrankenhäuser würden zudem klar benachteiligt. Darauf habe man die Landespolitik hingewiesen, betonte Osypka, die hessische Regierung sei allerdings mit einer entsprechenden Initiative im Bundesrat an der „gleichgültigen Haltung“ der anderen Bundesländer – ausgenommen Rheinland-Pfalz – gescheitert.

Ordentliche Schließung statt Insolvenz
Das Marienkrankenhaus sei in dieser schwierigen Phase finanziell durch den Träger, die Marienhaus GmbH, unterstützt worden. Nun seien die Probleme jedoch so groß, dass sie nach Auffassung des Trägers nicht mehr lösbar seien. Um nicht zu einem etwas späteren Zeitpunkt Insolvenz anmelden zu müssen, habe man sich für eine ordentliche Schließung am 30. September entschieden. Auf diese Weise sei nämlich noch der Zugriff auf Mittel aus dem sogenannten Krankenhausstrukturfonds möglich, die bis zum Juli 2017 abzurufen und befristet einzusetzen seien. Mithilfe dieser Mittel könnten Teile der Schließungskosten – unter anderem anfallende Abfindungen – erstattet werden. Auch die Zukunftssicherung der betroffenen Mitarbeiter werde dadurch leichter, so Osypka. 109 Mitarbeiter würden zwar ihren Arbeitsplatz im Marienkrankenhaus verlieren, die Marienhaus Unternehmensgruppe werde jedoch versuchen, ihnen eine berufliche Perspektive – möglichst unter ihrem eigenen Dach – zu bieten. „Als christlicher Träger sind wir verpflichtet, für jeden Mitarbeiter eine gute Lösung zu finden“, erklärte Osypka.

So wie es den Flörsheimern vertraut sei, könne das Marienkrankenhaus im Wettbewerb mit den größeren Kliniken des Ballungsraumes Frankfurt-Rhein-Main nicht bestehen. Die Konzentration auf die Orthopädie – anteilig 90 Prozent der medizinischen Leistungen – sei vor fünf Jahren der richtige Weg gewesen, die zwischenzeitlich von der Bundespolitik gesetzten Rahmenbedingungen und die kompromisslose Haltung der Krankenkassen habe ihn jedoch, wirtschaftlich betrachtet, unpassierbar werden lassen. Daher müsse nun „sehr zeitnah“ ein „vernünftiges Nachnutzungskonzept“ gefunden werden. In diesem Konzept sollten die niedergelassenen Fachärzte berücksichtigt werden. Die nicht nur von Patienten aus Flörsheim geschätzten Praxen bleiben demnach also, sofern die Ärzte nicht von sich aus den Standort wechseln, erhalten. „Ein Krankenhaus im eigentlichen Sinn kann jedoch nicht erhalten werden“, machte Osypka unmissverständlich klar.

Begrenzte Möglichkeiten
Die meisten Ideen, die aus den Reihen des Publikums zur Fortführung eines zumindest „krankenhausähnlichen“ Betriebes aufs Tapet kamen, wurden verworfen. So werde es wohl kaum zu einem Anschluss an einen Klinik-Verbund, wie von dem CDU-Stadtverordneten Dr. Bernd Blisch angeregt, kommen. „Wir sind ja selbst ein großer Träger“, sagte Michael Osypka. Mit dem im Krankenhausplan festgelegten Leistungsspektrum sei man für andere Träger „relativ uninteressant“, sie würden sich nämlich die Probleme, die das Marienkrankenhaus in die ausweglose Lage gebracht hätten, „mit kaufen“. Eine Trennung vom Krankenhausplan, das heißt ein Wechsel der medizinischen Leistungen, sei, so Osypka, „nicht so leicht möglich“. Außerdem müssten circa 4,5 Millionen Euro in Operationssäle und eine Million Euro in weitere Maßnahmen, beispielsweise in den Brandschutz, investiert werden. Die Mittel könnten zwar aufgebracht werden, so der Marienhaus-Geschäftsführer, allerdings seien diese nur durch entsprechende Einnahmen zu rechtfertigen. Und genau daran hapere es. Eine Umwandlung in eine reine Rehaklinik sei keine Option, da diese Einrichtungen ebenfalls über unzureichend vergütete Leistungen klagen würden. Die Eröffnung einer Geburtsklinik bezeichnete Osypka aufgrund der nicht einzuhaltenden Mindestgröße als „vollkommen unrealistisch“.

Vielversprechender ist offensichtlich, wie von Mathäus Lauck und Hans-Jürgen Wagner vorgeschlagen, die Transformation in ein Ärztezentrum. Dafür sollte sich die Politik einsetzen, so Lauck, der als Mandatsträger in Stadt und Kreis ein halbes Jahrhundert kommunalpolitisch tätig war. Die Marienhaus GmbH sei ein „verdienstvoller Träger, der sicher alles für den Erhalt des Krankenhauses getan hat“, meinte Flörsheims Ehrenbürger. Das Gebäude an sich sei, aufgrund der in den letzten Jahren erfolgten Sanierungen und Modernisierungen, gut in Schuss. Eine Zuschauerin erkundigte sich danach, ob das Krankenhausgebäude zukünftig als Seniorenresidenz genutzt werden könnte. Bedarf sei bei wachsender Nachfrage vorhanden, über die Pflegeversicherung könne genügend Geld in die Kasse fließen. „Das wird geprüft“, sagte Michael Osypka mit Nachdruck, „versprochen.“

„Wir kriegen das Fett ab“
„Marienhaus, Förderkreis und Politik gehören an einen Tisch. Wir alle müssen zusammenarbeiten“, forderte der Förderkreis-Vorsitzende Hans-Jürgen Wagner. Zuvor hatten einzelne Zuschauer, darunter ein Sprecher der Mitarbeitervertretung (MAV) des Krankenhauses, insbesondere die Kommunalpolitik kritisiert. Der MAV-Vertreter warf den Politikern insgesamt vor, „mal wieder versagt zu haben“. Bis auf dürre Worte des Bedauerns hätten die von der Schließung betroffenen 109 Mitarbeiter nichts zu hören bekommen. Ein anderer Zuschauer forderte die schnellstmögliche Einberufung einer Sondersitzung der Stadtverordnetenversammlung, auf der eine Veränderungssperre zugunsten des Krankenhauses zu beschließen sei. „Es gibt tausend Möglichkeiten, dieses Haus weiterzuführen“, behauptete er trotz der Lagebeschreibung.

Trotz des überaus aufwühlenden Themas waren die Emotionen am Montagabend – anders als bei so mancher Gremiensitzung – zwar hoch-, jedoch nicht übergekocht. „Wir erwarten von dem Träger, dass er um sein Haus kämpft“, sagte der GALF-Stadtverordnete Peter Kluin zu den Vertretern der Marienhaus GmbH. Er werde im Rahmen seiner Möglichkeiten alles versuchen, um eine Entwicklung im Sinne der emotional mit dem Marienkrankenhaus verbundenen Flörsheimer herbeizuführen.

 „Wir kriegen das Fett ab“, stellte die GALF-Fraktionsvorsitzende Renate Mohr, zugleich auch Vorstandmitglied im Förderkreis und Vorsitzende des Sozial- und Kulturausschusses (SuK), bezüglich der Vorwürfe an die Adresse der Kommunalpolitik fest. Verantwortlich für die Misere seien die auf übergeordneter politischer Ebene gefassten Beschlüsse. Sie gebe aber den Protest der Flörsheimer gerne „nach oben weiter“, so Mohr. Die Fraktionen im Stadtparlament würden in der Sache an einem Strang ziehen; in einer SuK-Sondersitzung, an der auch der Marienhaus-Geschäftsführer teilnehmen werde, würden sich bietende Optionen und die weitere Vorgehensweise zu Beratung stehen.

Diese Ausschussitzung wird, nach Informationen aus dem Rathaus, am 7. Juni stattfinden. Eine Patentlösung wird sie freilich nicht bringen – eine Kursbestimmung wäre schon ein großer Erfolg.

Weitere Artikelbilder:

Noch keine Bewertungen vorhanden


X