Von Freunden umgeben

Bürgerempfang zum 25. Jahrestag der Wiedervereinigung / Vortrag über Polens Beitrag zur Einheit

Die Geehrten des Bürgerempfangs 2015 – in Flörsheim ist es gute Tradition, langjährige beziehungsweise in besonderem Maße engagierte Bürgerinnen und Bürger auszuzeichnen.
(Fotos: R. Dörhöfer)

FLÖRSHEIM (drh) – „Die deutsche Wiedervereinigung war kein Wunder, sondern die Folge intelligenter Politik. Es war Wahnsinn im positiven Sinne“, so das Fazit des Festredners beim Bürgerempfang zum Tag der Deutschen Einheit in der Stadthalle. Am Samstagmorgen, 3. Oktober, stellte Prof. Dr. Dieter Bingen, Direktor des Deutschen Polen-Instituts, seine Ausführungen unter die Überschrift „Polen – ein Wegbereiter der Deutschen Einheit“. Anlässlich des zehnjährigen Jubiläums der Städtepartnerschaft mit Pyskowice und des 25. Jahrestages der Wiedervereinigung eine treffende Verbindung, doch war es für die Zuhörer im Saal kein einfacher Vortrag. Bingen bewies Fachkenntnis, splittete die Geschehnisse und Entwicklungen zur Wiedervereinigung detailliert auf – doch wer kennt schon polnische Staatsmänner und Amtsträger vergangener Tage? Dennoch machte Bingen deutlich, dass die polnische Opposition mit der beginnenden Freiheitsbewegung Anfang der 1980er Jahre den Stein ins Rollen gebracht habe.

Noch vor der Wiedervereinigung in Deutschland seien in Polen Aussagen getroffen worden, dass von der Bundesrepublik keine Gefahr für die Grenzen Polens ausgehe, dass dennoch aber eine Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze als bestehende Landesgrenze Polens festgeschrieben werden müsse. Zudem habe man in Polen bereits zu Beginn der Entwicklungen, die Ausrichtung an den Westen vorausgesetzt, die positiven Aspekte einer Wiedervereinigung gesehen. Polen habe sich vor der Wiedervereinigung von kommunistischen Systemen eingekreist gefühlt und früh erkannt, dass es ohne eine Wiedervereinigung der Deutschen kein unabhängiges Polen geben kann. Früh schon habe die polnische Regierung die DDR als Verbündeten fallen gelassen und in einer Bindung an die Bundesrepublik einen positiven Imageeinfluss auf Polen gesehen. Aufgrund der Entwicklungen im Jahre 1989 und der überraschend schnellen Wiedervereinigung hätten auch die Polen zunächst ein „mulmiges Gefühl“ gehabt, doch gleichzeitig habe man sich gesagt: „Je früher wir uns darauf einstellen, desto besser.“Eine erste Freundschaftsofferte sei Ende 1989 an die Bundesrepublik entsandt worden und vielleicht sei es auch kein Zufall gewesen, dass Altbundeskanzler Helmut Kohl 1989 am Abend des Mauerfalls gerade in Warschau weilte, dann zurück nach Deutschland eilte, aber zugleich den Polen auch ein Wiederkommen versprochen habe.

Mit der Wiedervereinigung hätten sich in Polen Ängste verbreitet, dass die Aussöhnung zwischen Deutschland und Polen aufgrund der Entwicklungen ins Hintertreffen geraten könnte. „Die Polen sorgten sich um die Anerkennung der Oder-Neiße-Linie als Grenze“, betonte Bingen. „Kann man den Deutschen wirklich trauen?“ Bundeskanzler Helmut Kohl habe lange keine Aussage zu den Grenzen der neuen Republik gemacht, worüber die Polen sehr verunsichert gewesen seien. Dennoch habe man in Polen an eine weitergehende Internationalisierung geglaubt und als die Oder-Neiße-Linie als Grenze anerkannt worden sei, habe sich die Skepsis gelegt. Der Staatsbesuch des Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker im Mai 1990 – der ersten in friedlicher und freundlicher Absicht erfolgten Begegnung dieser Art seit 990 Jahren – sei als ein Meilenstein der deutsch-polnischen Freundschaft gewertet worden. Weizsäcker habe einen großen Beitrag geleistet, den Polen die Angst vor dem Einigungsprozess zu nehmen. Den Polen sei es außerordentlich wichtig gewesen, dass sich das neue Deutschland eindeutig zum Westen bekannte. Ein neutrales Verhalten wäre für die Polen nicht zu akzeptieren gewesen. „Die Wiedervereinigung hatte nur Gewinner. Intelligente, empathische Politik legten den Grundstein für eine freiheitliche, demokratische Nachbarschaft. Heute sind wir umgeben von Freunden“, schloss Prof. Dr. Dieter Bingen seinen Vortrag.

Ehrung verdienter Flörsheimer
Bürgermeister Michael Antenbrink hatte in seinen Begrüßungsworten zum Bürgerempfang den Tag der Wiedervereinigung als einen der glücklichsten Tage in der deutschen Geschichte gewürdigt, und so sei er stolz darauf, dass man in Flörsheim den Nationalfeiertag mit einem Bürgerempfang ehrt. Die Ehrung verdienter Flörsheimer ist stets Bestandteil des Empfangs, und so erhielten Engelbert Hammer und Anne Olbert die Bürgermedaille in Silber. Engelbert Hammer wurde für seine Verdienste um die Flörsheimer Fastnacht und seine ehrenamtlichen Tätigkeiten in der Friseurinnung ausgezeichnet. Anne Olbert war über Jahrzehnte ehrenamtlich für die Belange der katholischen Kindertagesstätten im Einsatz. Lothar Göttge wurde für sein 25-jähriges Dienstjubiläum als Schöffe des Ortsgerichtes gratuliert. Der Preis für bürgerschaftliches Engagement in der Kategorie „Soziales“ ging in gleichen Teilen zu je 500 Euro an den ökumenischen Besuchsdienst des Marienkrankenhauses und an den Weilbacher Arbeitskreis Asyl. In der Kategorie „Kultur“ wurde Dirk Budde für sein vorbildliches Engagement bei der Sanierung und Erhaltung des denkmalgeschützten „Faber-Anwesens“ mit einer achtbaren Urkunde bedacht. Ehrenbriefe des Landes Hessen werden auf Beschluss des Landrates nur noch im Kreishaus ausgegeben, weshalb deren Verleihung erstmals nicht im Rahmen des Bürgerempfangs erfolgte.

Als beste Schulabsolventen erhielten Nina Hadzisehic, Sabrina Mautry und Kamalprit Thind einen Buchgutschein. Mit Buchgutscheinen wurden auch die Leistungen des Streicherensembles des Graf-Stauffenberg-Gymnasiums belohnt. Die jungen Künstler begeisterten unter anderem mit Beethovens Mondschein-Sonate oder Mozarts „Marsch der Priester“. Im Anschluss an den Empfang lud die Stadt zu einem Glas Wein und es bestand Gelegenheit, im Foyer der Stadthalle die kleine Ausstellung von Thomas Reinelt anlässlich der zehnjährigen Verschwisterung mit der polnischen Stadt Pyskowice zu besichtigen.

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