Dicht bleibt dicht

Bahn will Eddersheimer Unterführung nicht sanieren / Stadt wurde nicht ausreichend informiert / Sicherheitslage im Querungsbereich wird geprüft

Letzter Blick in die Unterführung: Die hölzerne Verkleidung an den Wänden wurde entfernt, auf dem Boden steht Wasser. Seit Dienstag sind die Zugänge mit Brettern vernagelt. (Fotos: E. Glöckner)

 

EDDERSHEIM (noe) – Die recht kurzfristig angekündigte Sperrung der Bahnstrecken am Bahnhof Hattersheim an den Osterfeiertagen hatte bereits für lange Gesichter gesorgt. Letzte Woche Donnerstag folgte dann, per Aushang, die nächste, für viele Bürger wesentlich schockierendere Nachricht: Die Bahnunterführung in Eddersheim wird von der Deutschen Bahn dauerhaft geschlossen.

 

Seit Dienstag sind die Zugänge der Unterführung vernagelt. Die knappe Begründung der Bahn ist auf dem Aushang zu lesen: „Wegen gravierender bautechnischer Mängel müssen wir diese Unterführung leider für den Fußgängerverkehr auf Dauer sperren.“ Die Reaktionen von Seiten der betroffenen, meist in Eddersheim wohnenden, Bürger ließen nicht lange auf sich warten. Zahlreiche Beschwerdebriefe seien eingegangen, heißt es aus dem Hattersheimer Rathaus. Auch beschränkt sich der Protest nicht auf den Ort; wie zu vernehmen ist, haben sich auch Bürger aus dem benachbarten Weilbach Hilfe suchend an ihren, den Flörsheimer, Magistrat gewandt. Aufgrund der räumlichen Nähe nutzen nämlich nicht wenige Weilbacher den Eddersheimer und nicht etwa den Flörsheimer Bahnhof, um ans Ziel zu gelangen. Und dieses Ziel ist längst nicht nur ein Arbeitsplatz, etwa in Wiesbaden oder Frankfurt, nein, es ist in vielen Fällen eine Schule, etwa in Flörsheim oder Frankfurt-Höchst. Die Tatsache, dass Schulkinder fortan nicht mehr via Unterführung auf die andere Bahnsteigseite kommen können, erhitzt die Gemüter in besonderem Maße. Denn die ebenerdige Querung durch die geöffneten Bahnschranken ist für Fußgänger aufgrund der relativ engen Straßenbreite und des insbesondere zu Stoßzeiten sehr hohen Verkehrsaufkommens, an dem auch schwere LKW ihren Anteil haben, ein kühnes Unterfangen. Die Schranken sind häufig und mitunter für mehrere Minuten geschlossen – entsprechend viele Fußgänger dürften sich, zum Beispiel gegen 7 Uhr morgens, am Wegesrand zu den wartenden PKW und LKW gesellen. Das macht eine sichere Querung der Schienen für alle Beteiligten gewiss nicht einfacher.
Vor diesem Hintergrund hat Hermann-Josef Lenerz der zuständigen DB Station & Service AG mit Sitz in Frankfurt einen Brief geschrieben. Der Rechtsanwalt aus Eddersheim weist auf die rege Frequentierung des Bahnhofes durch Schulkinder ab 10 Jahren hin, er wirft der Bahn vor, durch die Schließung der Unterführung eine „erhebliche Gefahrensituation für die betroffenen Schulkinder und auch Berufspendler geschaffen“ zu haben. Lenerz befürchtet, dass „Schüler unter Zeitdruck die Bahngleise trotz geschlossener Schranke zu überqueren versuchen“. Für die teilweise 10-jährigen Kinder sind die Gefahren seiner Ansicht nach nicht abzusehen. Lenerz fordert von der Bahn eine Erklärung, welche baulichen Mängel konkret zur Entscheidung geführt haben, die Unterführung zu sperren. Außerdem möchte er erfahren, „in welchem Verhältnis die Kosten der Schließung zu den Kosten der Beseitigung der Mängel stehen“.

„Das ist schiefgelaufen“
An dem Entschluss der Bahn wird sich trotz des Protestes und trotz der angeführten Argumente für den Erhalt der Unterführung wohl nichts ändern. Wie die Pressestelle der Bahn auf Nachfrage dem Stadtanzeiger mitteilte, bleibt es bei der endgültigen Schließung. Die Unterführung werde bis Ende des Jahres verfüllt, die Bahn sorge für eine ansprechende Gestaltung der bestehenden, nutzlos gewordenen Zugänge. Eine Sanierung, so ein Sprecher der Bahn, würde rund 1 Million Euro kosten. Es handele sich hierbei um Steuergelder, deren Verwendung in dieser Größenordnung, bezogen auf den vorliegenden Fall, nicht zu rechtfertigen sei. Die Unterführung sei bereits seit langem ein Sanierungsfall, dessen Zustand sich von Jahr zu Jahr weiter verschlechtert habe. Die letzte von mehreren, regelmäßig stattfindenden Kontrollen habe schließlich ergeben, dass auf Sicht kein sicherer Weiterbetrieb der Unterführung möglich sei. Dies habe die Bahn bereits im November in einem Schreiben an die Stadtverwaltung angekündigt. Allerdings habe, wie der Bahnsprecher gegenüber dem Stadtanzeiger betont, bis zur Sperrung zu keinem Zeitpunkt eine Gefährdung für Personen bestanden. Das heißt also: Die Unterführung ist zurzeit eigentlich noch gefahrlos nutzbar, es zeichnet sich jedoch ab, dass dies in Kürze nicht mehr der Fall sein wird. Um die Sicherheit des Bahnbetriebes zu gewährleisten, wurden vor der Sperrung in der Unterführung Metallstützen installiert. Eine Maßnahme, die nach Auskunft des Bahnsprechers unkompliziert und schnell durchgeführt werden konnte.
Von dem betreffenden Schreiben, das bereits vor mehreren Monaten im Rathaus eingegangen sein soll, habe sie bislang keine Kenntnis gehabt, erklärte Erste Stadträtin Karin Schnick im Gespräch mit dem Stadtanzeiger. Der Verwaltung sei kein entsprechender Eingang bekannt. Am Dienstag – als die Unterführung bereits vernagelt war – habe ein Mitarbeiter der Bahn eine Fotografie des besagten Schreibens vom 17. November an ihr Mobiltelefon gesandt. Darin heißt es wörtlich (das Foto liegt der Redaktion vor): „Bezüglich einer von Ihnen angesprochenen zukünftigen baulichen Veränderung der bestehenden Unterführung müssen wir Ihnen bereits jetzt schon ankündigen, dass wir aufgrund der bisherigen Bauwerksprüfung sowie eines aktuell erstellten Gutachtens durch ein Ingenieurbüro keine andere Möglichkeit sehen, die Unterführung sperren zu lassen. Wir warten hier noch auf technische Zuarbeiten, so dass wir Ihnen den genauen Zeitpunkt der Schließung der Unterführung noch nicht mitteilen können. Nach Erhalt näherer Informationen werden wir Sie über das weitere Vorgehen verständigen.“ Nur das ist nie geschehen. Und: Selbst bei Kenntnis dieses Schreibens hätte die Stadtverwaltung angesichts der Absichtserklärung der Bahn höchstens auf die Festlegung des Termins drängen und die Bürger entsprechend vorwarnen können. An der Tatsache der Schließung hätte sich vermutlich nichts geändert. Fakt ist: Bürger und Stadtverwaltung wurden kalt erwischt. Die Pressestelle der Bahn räumt im vorliegenden Fall interne Kommunikationsprobleme ein. Die mit der Sperrung beauftragte Firma habe mit den Arbeiten begonnen, bevor die Maßnahme öffentlich kommuniziert werden konnte. „Das ist schiefgelaufen“, so ein Sprecher der Bahn.
Zur Sicherheitssituation am Bahnübergang äußert sich die Bahn zurückhaltend. Man orientiere sich an den gültigen Vorschriften, heißt es von Seiten der Pressestelle. Gleichwohl sei die Bahn dazu bereit, die Ausgestaltung des Bahnübergangs zu überprüfen. Als erste Sicherheitsmaßnahme kündigte der Bahnsprecher an, dass nach den Osterferien Mitarbeiter der DB Sicherheit und sogenannte Reiselenker vor Ort eingesetzt werden sollen, um bei Schulbeginn speziell die Kinder in der für sie neuen Situation zu unterstützen. Aber auch bei erwachsenen Passanten respektive Reisenden werde man bei Bedarf „verkehrserzieherisch“ tätig, kündigte der Bahnsprecher an. Bereits jetzt zeigt sich, dass dieses Angebot zu spät kommen wird: Augenzeugen berichten, dass nun deutlich mehr Personen die Gleise bei geschlossener Schranke passieren. Zweifelsohne ein lebensgefährliches und idiotisches Unterfangen – auch bei Zeitdruck.

Frustrierende Situation
Die Stadtverwaltung versuchte, nachdem die Schließung der Unterführung bekannt geworden war, so schnell wie möglich mit Vertretern der Bahn ins Gespräch zu kommen. Erste Stadträtin Karin Schnick berichtet von einem einstündigen Ortstermin, der am Dienstag um 14 Uhr mit einem zuständigen Vertreter der Bahn und den Ordnungsamtsleitern der Städte Hattersheim und Flörsheim stattfand. Zwar ereignete sich das Treffen nicht zur Hauptverkehrszeit, doch Sturmtief „Niklas“ sorgte für einen ziemlich guten Eindruck, was Passanten jeder Altersgruppe, insbesondere bei unfreundlicher Witterung, künftig zugemutet wird. Zumal die Teilnehmer des Ortstermins erst nach einer Geduldsprobe miteinander sprechen konnten. Die aus unterschiedlicher Richtung angereisten Parteien mussten nämlich zunächst an den gewohnt lange geschlossenen Bahnschranken ausharren, um sich auf der verabredeten Seite des Bahnübergangs treffen zu können. Das Gespräch habe zu ihrem Bedauern nicht darauf schließen lassen, dass sich an der gegenwärtigen Lage grundsätzlich etwas ändern könnte, teilte Schnick mit. Das heißt: Die Unterführung bleibt zu. Dicht ist dicht.
Wie aber könnte dann wenigstens der Bahnübergang sicherer gemacht werden? Hier habe der Vertreter der Bahn immerhin die – freilich erst noch zu prüfende – Möglichkeit ins Spiel gebracht, die relativ schmale Querung zu verbreitern. Dann könnten Fahrzeuge und Fußgänger mit einem weiteren Abstand zueinander die Gleise passieren. Doch das ist, selbst wenn sich die Bahn dazu bereit erklären sollte, Zukunftsmusik. Die Prüfung, Planung und schlussendlich Durchführung einer solche Maßnahme verschlingt Zeit. 
Die Stadt könnte die Bahnhofstraße selbst mit Zebrastreifen ausstatten. Da es sich aber um eine Landstraße handelt, muss erst Hessen Mobil diesem Vorhaben zustimmen. Auch das kann erfahrungsgemäß lange dauern. Und Zebrastreifen – die zu missachten für Kohorten von Autofahrern ein Kavaliersdelikt ist – können, auch wenn sie im Bereich des Bahnhofsgeländes an noch so geschickt ausgesuchter Stelle auf die Fahrbahn gepinselt werden, nicht wirklich für mehr Sicherheit sorgen. Im Übrigen ändern sie nichts an dem eigentlichen Problem, sie erhöhen nicht die Sicherheit beim Überschreiten der Gleise, sondern erleichtern allenfalls das Wechseln der Straßenseite.
Bis zu einer – so sie denn kommt – Verbreiterung des Bahnübergangs könnte eine Behelfsampel für eine getrennte Passage von Fußgängern und Fahrzeugen sorgen. Damit wäre zwar der Sicherheit Genüge getan, allerdings zu einem hohen Preis: Denn dann werden sich, gerade zu Stoßzeiten, die Autos noch weiter zurückstauen als es ohnehin bereits der Fall ist. Und auch in diesem Falle ist eine Genehmigung von Hessen Mobil einzuholen.
Eine frustrierende Situation, zählt doch gerade in puncto Sicherheit jede Stunde.

 

 

 

 

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