Alle Verteidigungskunst nützt nichts

Zum zweiten Mal stürmten die Ginsheimer Narren das Rathaus und übernahmen symbolisch Kasse und Regie

Locker verbunden führte Engelbert Wiedmann den Bürgermeister aus seiner Amtsstube ab, um ihm den Eid auf die Närrischen Gesetze abzunötigen.
(gus/Fotos: Steinacker)

 

GINSHEIM (gus) – Mancher könnte sich angesichts der politisch aufgeheizten Stimmung im Lande inzwischen vorstellen, dass bald aus Spaß Ernst wird, sicher dann nicht zur Fastnachtszeit – oder doch gerade mit Hilfe der Tarnung durch ein närrisches Kostüm und Maske? In Ginsheim blieb bei der noch gar nicht so traditionellen Rathauserstürmung am Samstag, 27. Januar, alles ein Spuk von wenigen Stunden, dann konnten die Amtsmitarbeiter den Sonderöffnungstag beenden, zuschließen und in das verdiente Wochenende gehen.
 

Zu dusselig aber auch, dass Bürgermeister Thies Puttnins-von Trotha am eigentlich nicht termin-, aber doch bürodienstfreien Samstag meinte, in seinen Amtsstuben vorbeischauen zu müssen, und dabei auch noch die Stadtkasse praktisch unter dem Arm zu tragen. Gelegenheit macht Diebe, und die meldeten sich im ordnungsliebenden Deutschland natürlich auch ganz ordnungsgemäß an.

Unter der Leitung von Initiator Engelbert Wiedmann eroberten die Ginsheimer Narren mit Unterstützung einiger befreundeter Garden am Samstag das Rathaus und erklärten es für bis Aschermittwoch besetzt. Nur symbolisch, denn, wie gesagt, schon wenige Stunden nach dieser großspurigen Ankündigung trollten sich die Angreifer wieder in den Alltag. Um ein Haar hätte Wiedmann, der auf dem Rathausvorplatz stolz den an den Händen gefesselten Bürgermeister vorführte, die Zeremonie beendet, ohne die Närrischen Gesetze verkünden zu lassen, die derzeit die ordentlichen Regeln ersetzen. Nur ein kleiner Anfängerfehler bei der erst zweiten Veranstaltung dieser Art im Stadtteil, es ist eben noch alles im Werden mit dem Ginsheimer Rathaussturm.

Der Bürgermeister war bei seiner Vorführung auch gar nicht richtig gefesselt, sondern zog die Hand unbemerkt kurzzeitig aus der Schlaufe, um seinem Sohn zuzuwinken und steckte sie dann wieder zurück. Man konnte fast den Eindruck erwecken, der Mann kollaboriert mit den Narren. Dabei hatte er zu Beginn der Zeremonie noch aus dem Fenster seiner Amtsstube im Obergeschoss des Rathauses heraus mit dem Absondern von Bonbons, Popkorntüten und ähnlichem Wurfmaterial versucht, die Narren zu beschwichtigen oder schlicht zu bewerfen, das war nicht ganz eindeutig. Jedenfalls konnten die Kinder gar nicht alles einsammeln, was da herabregnete. So gab es nach dem Abzug der Narren im Rathaushof einiges aufzufegen. Uns scheint es wirklich gut zu gehen.

Die Garden ließen sich von den Durchhalteparolen aus dem Rathausfenster, unterstützt durch eine Konfettikanone als schärfster Warnung, nicht beirren und schritten nach dem Aufwärmen auf dem Hof zur Tat. Auf Temperatur brachten die Narren sich durch Schunkellieder. Rund 100 närrische Ginsheimer waren zugegen, als die Altrheingarde loslegte, bis der CD-Spieler hing. Aber es gab auch musikalische Unterstützung durch den Mommenheimer Spielmannszug. Weitere Gardisten stellten lokale Kräfte wie die des TTC und des GCC aus dem etwas befreundeten Nachbarstadtteil Gustavsburg. Aber auch die Kostheimer „Woigeister“ und der Mainzer, neudeutsch queere Fastnachtsverein „Rosa Käppscher“ hatten Main und Rhein überquert, um in Ginsheim mitzustürmen.

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