Kampfkunst und Lebensphilosophie

In Weilbach kann Karate-Do auf höchstem Niveau bei einem Inhaber des 7. Dan erlernt werden

 

WEILBACH (ak) – Den meisten Weilbachern dürfte es noch unbekannt sein, dass es unter ihnen einen Meister des Karate-Do Shorei-Ryu gibt: Luis Engelke-Inostroza, Karate-Do-Meister und -Lehrer, zudem Inhaber des 7. Dan, lebt und arbeitet in dem Flörsheimer Stadtteil. Dort führt er das „Vida Vital Physiotherapie Zentrum“ in der Wiesenstrasse 10, er ist nämlich auch ausgebildeter Physio-, Manual- und Lymphdrainagetherapeut.
Wenn man Samstagsmorgens seine Praxis betritt, hört man ungewöhnliche Worte: „Ichi, ni, san! Ichi, ni, san!“, sagt er immer wieder, denn er zählt auf Japanisch. In diesem Takt führen zwei junge Männer und ein kleines Mädchen offensichtlich voll konzentriert immer wieder bestimmte Bewegungsabläufe durch, die er ihnen vormacht. Manchmal geht er zu den einzelnen Schülern, zeigt ihnen, welche Muskelpartien sie mit mehr Kraft ausstatten müssen, wie sie bestimmte Abläufe besser ausführen können. Arme schnellen nach vorne, Beine fliegen in die Höhe, Körper drehen sich schnell – das ganze sieht anstrengend aus. 
Luis Senshei (das ist japanisch und heißt „Meister“, so werden Lehrer dort respektvoll genannt) kommt nie außer Atem, er lächelt immer. Aber er merkt, wenn seine Schüler eine Pause brauchen. „Yame“, sagt er, das bedeutet „stopp!“ auf Japanisch, und öffnet ein Fenster um frische Luft herein zu lassen. „Wir machen eine aktive Pause, setzt euch auf den Boden.“ Er und seine Schüler sitzen im Spagat, drücken die Hände flach vor sich auf den Boden und heben ihre Körper langsam damit an. Das sieht noch nicht bei allen so perfekt aus wie bei ihm, „Ich bin schon 48, ich kann’s schon, aber ihr habt noch viel Zeit zum Üben“, lacht er seine Schüler an. Dann legt er die Hände an den Kopf und geht -immer noch im Spagat- mit den Ellbogen seitlich nach unten, seine Schüler machen es nach. „Das könnt ihr auch zu Hause machen, das sind sehr wichtige Übungen für die Hüfte, aus der Hüfte kommt die Kraft beim Karate“, erklärt er. 
Ihm macht das Trainieren der Jugendlichen und Kinder sehr viel Spaß, hat er doch selbst als Schüler in seinem Geburtsland Chile seine ersten Erfahrungen in Karate-Do gesammelt. In Chile hatte er schon mit Anfang 20 eine eigene Sportschule für Karate, dort hat er damals sogar die Polizei darin geschult. Warum ihn sein Lebensweg schließlich nach Deutschland führte, weiß er selbst nicht so genau: „Eigentlich wollte ich vor etwa 25 Jahren zu einem Karate-Meister, der in Frankreich lebt, um dort Unterricht zu nehmen“, erinnert er sich. Ein Freund in Chile hatte einen Bruder in Deutschland und irgendwie hatte er vor, erst einmal diesen zu besuchen und von dort aus nach Frankreich zu gehen. Hier wurde er aber von der „Karate-Gemeinschaft“ so herzlich aufgenommen, dass sein „Frankreich-Plan“ in den Hintergrund geriet. „Das ist etwas besonders schönes an Karate, wenn man das macht, hat man Freunde auf der ganzen Welt, man wird von allen, die auch Karate betreiben, mit offenen Armen empfangen“, erklärt er. Inzwischen ist er in Deutschland zu Hause, „Also ich bin integriert“, lacht er sichtlich stolz. „Ich habe Familie hier und mir was aufgebaut, ich vermisse hier nichts, noch nicht mal die chilenische Sonne.“ 
Auch auf seine Karate- Laufbahn kann Luis Engelke-Inostroza stolz sein: als ein Meister des 7. Dan gehört er dem IMAF-Kokusai Budon an, dem ältesten und führenden Welt-Verband für traditionelle japanische Kampfkünste. Für die IMAF (International Martial Arts Federation) gibt er mehrere Seminare pro Jahr in ganz Deutschland und nimmt auch Prüfungen ab. Dabei steht er voll und ganz hinter der Philosophie des Verbandes, für ihn ist Karate kein „Kampfsport“, sondern eine Kampfkunst: „Es geht darum, sich als Mensch zu entwickeln und seinen Weg zu finden.“ Das versucht er auch seinen Schülern zu vermitteln. „Ihr müsst konzentriert bleiben, alle Bewegungen korrekt ausführen, auch nicht euphorisch werden wenn alles gut klappt“, sagt er, als ein Schüler bei einer Schrittkombination fast ins Straucheln gerät vor Freude darüber, dass er die Schrittfolge richtig gemacht hatte. Die Kunst besteht darin, Kraft aus voll konzentriert und perfekt durchgeführten Bewegungen zu ziehen, Selbstkontrolle ist das Wichtigste dafür, dabei sind Überschwang oder gar Wut und Zorn völlig fehl am Platz. 
Auch wenn jeder Karate-Do in jedem Alter lernen kann, weil es individuell angepasst trainiert wird und auf jeden Fall die Konzentrationsfähigkeit steigert und sowohl die körperliche Leistungsfähigkeit als auch das Herz- und Kreislaufsystem verbessert, ist für ihn ein wichtiger Bestandteil seines Lebens das Training mit Kindern und Jugendlichen. Luis Engelke-Inostroza ist davon überzeugt, dass Karate-Do durch die psychomotorischen Erfahrungen nicht nur die soziale Kompetenz und die Entwicklung des Selbstwertgefühls und des Selbstbewusstseins fördert, sondern auch durch Aggressionsabbau der Gewaltprävention dient. „Ja, die Übungen sind anstrengend, aber unser Leben ist auch anstrengend“, sagt er freundlich, „die Kinder können hier lernen, mit Anstrengungen umzugehen und damit fertig zu werden, dadurch werden sie mehr Selbstbewusstsein bekommen.“ Meditation gehört auch zu Karate-Do. „Man kann das auch im Kopf üben.“ Am Ende der Trainingsstunde setzen sich alle noch einmal auf den Boden. „Tief und harmonisch atmen, Sauerstoff ist Leben“, sagt Luis Engelke-Inostroza. „Und jetzt sagt euch: Ich habe eine gute Arbeit geleistet, ich habe mich erschöpft, jetzt atme ich tief und bekomme wieder Energie für den Tag.“ 
Diejenigen, die bisher mit ihm trainieren, sind begeistert. Sie sind aus völlig verschiedenen Beweggründen hier: der Schüler Max Dörhöfer trainiert schon seit mehr als zwei Jahren Jiu Jitsu, er hat sogar schon an Hessischen Meisterschaften teilgenommen. „Mein Vater war zur Physiotherapie hier in der Praxis und hat mir gesagt, dass man bei Luis Karate lernen kann.“ Jetzt trainiert er hier zusätzlich, weil es ihm viel Spaß macht und er noch beweglicher werden will. Seinem Freund Sylvan Germer hat er davon erzählt und ihn irgendwann einfach mal mitgebracht. Sylvan findet es besonders gut, dass es beim Karate-Do eben nicht bloß ums Schlagen und Treten geht, „sondern noch was Mentales dahintersteckt“. Auch dass man hier bestimmte Bewegungsabläufe mit bildlichen japanischen Namen benennt, findet er klasse: „Senkutzo-Dachi“ heißt „Pfeil und Bogen“ oder „Kiba-Dachi“ beschreibt eine Reiter-Position. Er ist so begeistert von Karate-Do, dass er sogar schon einen Artikel für seine Schülerzeitung darüber verfasst hat. Das Ziel der beiden ist es, bald bei Luis Senshei die Gelbgurt-Prüfung abzulegen. Die kleine Carlotta Herz ist erst sechs Jahre alt und kommt ins Karate-Do-Training, weil sie ein Hohlkreuz hat und ihr Arzt ihren Eltern zu solchem Training für sie geraten hat. Sie ist zur Freude ihres Senshei noch sehr beweglich und macht den anderen bei Dehnübungen schon noch manchmal mit Leichtigkeit was vor. Luis Engelke-Inostroza ist sehr stolz auf seine Schüler und ihre kontinuierlichen Fortschritte. Er würde sich wünschen, dass noch mehr Kinder in sein Training kommen und er so eine schöne Karate-Do Gruppe in Weilbach aufbauen könnte: „Kinder sind unsere Zukunft!“ Er möchte ihnen helfen, ihr Körperbewusstsein zu entwickeln und er möchte ihnen die Werte des Karate vermitteln. Sein Traum ist es, mit solch einer Karate-Gruppe freundschaftliche Beziehungen zu seinem alten Karate-Meister und seinen Karate-Freunden in Chile aufbauen zu können, vielleicht sogar mal über den IMAF-Verband einen Austausch von Karate-Schülern zwischen Deutschland und Chile zu organisieren.
Wer nun Lust bekommen hat, Karate-Do bei Luis Engelke-Inostroza zu lernen: Karate-Training für Kids findet jeden Samstag von 10 bis 11 Uhr statt, Erwachsene können freitagabends von 19.30 bis 20.30 Uhr mit Luis Engelke-Inostroza trainieren. 
Nähere Auskünfte bekommt man unter der Telefonnummer 06145–546434 oder auch im Internet über die Homepage www.vida-vital-zentrum.de
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